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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Gosse gefischt worden.
    Das Gericht gab Bloch-Hansen recht. Der Beschluß wurde sofort diktiert. Håkons tiefe Depression stieß auf leichten Widerstand, als der Richter zu den triftigen Gründen für einen Verdacht kam. Diese Gründe waren noch immer vorhanden. Håkons Herz rutschte jedoch wieder auf Zwerchfellhöhe, als der Richter in ziemlich krassen Worten auf die Unfähigkeit der Polizei zu sprechen kam; darauf, daß sie es nicht geschafft hatten, neues Material beizubringen, und vor allem auf die beklagenswerte Tatsache, daß das Schicksal von Karen Borgs Aussage nicht genauer geklärt war. Auch die Möglichkeit der Beweisvernichtung war weiterhin gegeben, aber leider war dem Richter ebenso klar, daß die Haft einen unverhältnismäßigen Übergriff bedeutete. Der Mann war auf freien Fuß zu setzen. Mit Meldepflicht jeden Freitag.
    Meldepflicht! Ja, das wäre eine gewaltige Hilfe. Håkon erhob sofort Einspruch und bat um Aufschub. Das würde ihnen wenigstens noch einen Tag lassen. Ein Tag war ein Tag. Und auch wenn Rom nicht an einem Tag erbaut worden war, hatte es doch in vielen Fällen in einigen zusätzlichen Stunden einen Durchbruch gegeben.
    Polizeiadjutant Håkon Sand traute seinen Ohren kaum, als der Richter klarstellte, daß er auch auf diese Forderung nicht eingehen werde. Håkon wollte protestieren, wurde aber schroff abgewiesen. Die Polizei hatte ihre Chance gehabt. Sie hatte sie sehr schlecht genutzt. Jetzt mußten sie sehen, wie sie ohne die Hilfe des Gerichts weiterkamen. Håkon Sand erklärte trotzig, daß ein Einspruch unter diesen Umständen ohnehin keinen Zweck habe, und zog ihn voller Wut zurück. Der Richter ließ sich davon nicht beeindrucken.
    »Wenn ihr Glück habt, bleibt euch eine Entschädigungsklage erspart!« Damit schloß er die Verhandlung.
    Noch am selben Abend wurde Anwalt Jørgen Ulf Lavik auf freien Fuß gesetzt. Sofort schien er sich in seinem Anzug aufzurichten, einige Zentimeter zu wachsen und wenigstens ein paar der verlorenen Kilos wieder zuzulegen. Beim Verlassen des Polizeigebäudes lachte er. Zum erstenmal seit vielen Tagen.
    Das taten weder Hanne Wilhelmsen noch Håkon Sand. Und auch sonst niemand in dem großen, klobigen Haus in Grønlandsleiret 44.
     
    Es war tatsächlich gutgegangen. Der Albtraum war vorüber, sie hatten nichts gefunden. Sonst würde er noch sitzen. Was hätten sie finden sollen? Glücklicherweise hatte er noch zwei Tage vor seiner Festnahme den Schlüssel unter dem Schrank entfernt und an einem besseren Ort versteckt. Vielleicht hatte der Alte recht, und alle guten Mächte waren auf ihrer Seite. Die Götter mochten wissen, warum.
    Aber eins verstand er trotzdem nicht so ganz. Er hatte sich für Christian Bloch-Hansen als Verteidiger entschieden, weil er wußte, daß der der Beste war. Der Schuldige braucht den Besten. Der Unschuldige kann sich mit allem zufriedengeben. Bloch-Hansen hatte den Erwartungen mehr als entsprochen. Er selbst wäre kaum auf die Idee mit Karen Borg und der Schweigepflicht gekommen. Sein Verteidiger hatte hervorragende Arbeit geleistet und war immer korrekt und höflich gewesen. Aber niemals warm, niemals verständnisvoll oder entgegenkommend. Er war nicht engagiert gewesen. Bloch-Hansen hatte seinen Auftrag erfüllt, und das gut, aber in seinen Augen hatte manchmal etwas aufgeleuchtet, das nach Haß und vielleicht sogar Verachtung ausgesehen hatte. Hielt er ihn für schuldig? Glaubte er seinen Geschichten nicht, Geschichten, die so überzeugend waren, daß er inzwischen fast schon selbst daran glaubte?
    Anwalt Lavik wies diesen Gedanken von sich. Es spielte keine Rolle mehr. Er war ein freier Mann, und er war davon überzeugt, daß die Polizei ihre Ermittlungen binnen kurzer Zeit einstellen würde. Er würde Bloch-Hansen bitten, sich darum zu kümmern. Das mit dem Tausender war ein dicker Patzer gewesen, aber es war, soviel er wußte, der einzige wirkliche Fehler, der ihm je unterlaufen war. Niemals, niemals würde ihm so etwas wieder passieren. Nur noch eine Aufgabe lag vor ihm, aber er hatte genug Zeit, um ihre Durchführung zu planen. Mehrere Tage. Er mußte zwar ein paar Korrekturen vornehmen, aber es war ein Geschenk gewesen, daß Håkon Sand die Unklarheiten um Karen Borgs Aussage mit ihrer urlaubsbedingten Abwesenheit begründet hatte. Der Richter hatte sich darüber aufgeregt, daß es der Polizei nicht gelang, mit einer Frau in Vestfold, das ja nun wirklich nicht auf der anderen Seite der Erde lag, Kontakt

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