Blinde Seele: Thriller (German Edition)
nach halb sieben.«
»Haben Sie am anderen Ende der Leitung irgendetwas im Hintergrund gehört?«, fragte Sam.
»Nein, nichts«, sagte Magda. »Ich nahm an, dass Felicia nach Hause gekommen war.«
»Sie haben nicht versucht, Mrs. Delgado zurückzurufen?«, fragte Martinez.
»Das wäre unangebracht gewesen«, sagte Magda. »Von seltenen Ausnahmen abgesehen, laufen wir Patienten oder ihren Betreuern nicht nach. Wenn sie mit uns sprechen wollen, rufen sie noch einmal an.«
Diesmal war es nicht geschehen.
*
Auf dem Gang vor dem Krankenzimmer seiner Tochter erklärte Carlos Delgado den Ermittlern, er wisse nichts davon, dass Beatriz oder Felicia kürzlich einen Arzt aufgesucht habe.
»Allerdings wundert es mich nicht, dass Felicia nicht zu dem Arzt wollte«, erklärte Delgado. »Das hatte sie mit ihrer Mutter gemeinsam, Ärzten aus dem Weg zu gehen. Es wundert mich, dass Beatriz es überhaupt geschafft hat, Felicia zu dieser Psychologin zu bringen.«
»Ihre Frau wollte ihr offenbar dringend helfen«, sagte Sam.
Delgado lehnte sich gegen die Wand. »Beatriz hat Felicia sehr geliebt. Das habe ich nie bezweifelt.«
»Eine Sache noch«, sagte Martinez.
»Bitte«, antwortete Delgado.
»Wissen Sie, ob Ihre Frau je Schönheitsbehandlungen bei sich zu Hause hatte?«
»Soviel ich weiß, nein.«
»Massagen? Physiotherapie?«, fragte Sam.
»Ich kann mich nicht erinnern. Ich würde es auch nicht wissen, es sei denn, ich hätte es bezahlt.«
Sam bat ihn, seine Kreditkarten- und Kontoauszüge daraufhin zu überprüfen.
»Es könnte wichtig sein«, sagte er.
Delgado legte die Stirn in Falten. »Glauben Sie, jemand könnte auf diese Weise ins Haus gekommen sein?«
»Es ist nur eine der Ermittlungsrichtungen«, sagte Sam.
»Aber eine wichtige«, betonte Martinez. »Wenn auch nur, um es ausschließen zu können.«
»Beatriz ist außer Haus zu einem Friseur gegangen«, sagte Delgado. »Ich weiß allerdings nicht, zu wem.«
»Was ist mit Maniküre?«, fragte Sam.
»Davon weiß ich nichts.«
»Ein Letztes noch«, sagte Sam. »Sie kennen Felicia besser als irgendjemand sonst. Hat sie sich so sehr in sich zurückgezogen, weil sie unter Schock steht? Oder weil sie zu viel Angst hat, zu reden?«
»Sie meinen, ob Felicia den Mörder gesehen hat?« Delgado rieb sich das Kinn. »Ich weiß nicht, was im Kopf meiner Tochter vor sich geht, Detective. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es je gewusst habe. Ob sie einen Schock erlitten hat? Ja, bestimmt. Aber was sonst noch? Ich habe keine Ahnung. Ich wünschte bei Gott, ich wüsste es.«
*
Delgados Alibi für den Abend vor dem Mord war stichhaltig.
Sein Nachbar hatte bestätigt, am 11. Mai fast den ganzen Abend Delgados Fernseher gehört zu haben. Er erinnerte sich so gut daran, weil es eine laute Sportübertragung gewesen war.
»Das ist kein zwingender Beweis«, hatte Martinez zu Sam gesagt. »Delgado hätte den Fernseher anlassen und sich aus dem Haus schleichen können.«
Die Überwachungskameras in der Tiefgarage des Gebäudes hatten aufgezeichnet, dass Delgados BMW am 11. Mai nachmittags um siebzehn Uhr zehn hereingefahren war und erst am nächsten Morgen um kurz nach acht Uhr vierzig wieder rausgekommen war, als er zur Arbeit fuhr, wo ihn ungefähr eine Stunde später der Anruf der Schulleitung erreicht hatte, dass Felicia verschwunden sei.
»Er hätte vorher jederzeit ohne seinen Wagen weggehen können«, meinte Martinez, als er und Sam am Samstagnachmittag wieder in ihrem Büro saßen.
»Ich weiß«, sagte Sam.
»Bekommst du kein ungutes Gefühl bei dem Gedanken an diesen Burschen?«, fragte Martinez.
»Nein.«
»Ich auch nicht. Bei seiner Tochter sieht das allerdings anders aus. Ich sag’s ja nur ungern, aber sie ist mir nicht ganz geheuer. Verrückt, wie sie da mit ihrer Sonnenbrille liegt.«
»Sie hat eine Phobie«, sagte Sam.
»Ich weiß«, entgegnete Martinez. »Aber trotzdem, wenn die Mutter das einzige Opfer wäre …«
40.
15. Mai
Am Sonntag war die ganze Familie bei Cathy und Saul zum Brunch.
Saul hatte sein Medizinstudium vor ein paar Jahren aufgegeben, um das Tischlerhandwerk zu erlernen. Inzwischen war er ein bescheiden erfolgreicher Möbelschreiner mit einer kleinen Werkstatt in der Nähe der North Bay Road.
Der Regen zwang sie, im Haus zu bleiben. Es war ein wenig beengt, aber niemand beklagte sich.
Für das Essen in dieser Wohnung war Cathy zuständig, manchmal auch Mel Ambonetti, Sauls Freundin, eine Anthropologiestudentin.
Mildred
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