Blinde Seele: Thriller (German Edition)
irgendeinem Tiefpunkt angelangt, und noch immer angestachelt von Trauer und Wut, hatte sie es sich offensichtlich anders überlegt.
Sandy Reiner hatte ihr vermutlich gesagt, die Öffentlichkeit habe ein Recht, Einzelheiten zu erfahren, vielleicht sogar, dass ihre Kooperation dazu dienen könne, den Druck von den Cops zu nehmen. Reiner war ein gewiefter Journalist, ein Meister der Überredungskunst. Seine Artikel schlugen die Leser seiner Zeitung jedes Mal in den Bann und wurden von den Fernsehsendern aufgegriffen.
Das bedeutete, binnen Kurzem würde so ziemlich jeder in Miami über die Handschrift von Black Hole und die Grausamkeit seiner Verbrechen Bescheid wissen.
Sam und Martinez wussten mit einem Blick auf die hungrige Meute, die sich auf der sonnigen Rocky Pomerance Plaza zur Pressekonferenz versammelt hatte, dass sie keine Chance hatten. Nichts von dem, was sie beide, Chief Hernandez oder Special Agent Joe Duval den Journalisten heute Morgen sagen würden, konnte die Flut aufhalten.
Nach Ende der Pressekonferenz kehrten sie in ihr Büro zurück, bedrückt und mit der Gewissheit, dass die Schlagzeilen bis zum Mittag stehen würden, um möglichst vielen Frauen in Südflorida Angst und Schrecken einzujagen.
Was den Druck auf alle Beteiligten verstärkte.
44.
Nachdem Mildred sich zum nächsten Schritt bereit erklärt hatte, waren sie und David noch einmal zum Miami General gefahren, um mit Dr. Ethan Adams zu sprechen.
Inzwischen fast resigniert.
Der Arzt versuchte noch einmal, mit Mildred die Methoden zur Entfernung des grauen Stars zu besprechen, aber sie bat ihn, aufzuhören. Dr. Adams entgegnete, es sei ihm lieber, wenn seine Patienten wüssten, was mit ihnen geschehe, worauf Mildred antwortete, das wisse sie sehr zu schätzen.
»Wenn wir von irgendeinem anderen Teil meines Körpers reden würden«, fügte sie hinzu, »würde ich Ihnen vermutlich zustimmen, aber mein Entschluss steht fest, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Dann überspringen wir das einfach«, sagte Adams.
»Danke.« Zum ersten Mal war Mildred ihm wirklich verbunden.
»Es gibt nur eine Frage, die Sie beantworten müssen«, fuhr Adams fort. »Und Sie werden sich vielleicht ein bisschen Zeit nehmen wollen, um über die Antwort nachzudenken.« Er hielt einen Moment inne. »Im Rahmen des Möglichen dürfen Sie die Art der Intraokularlinse, die wir einsetzen werden, mit aussuchen.«
David sah, wie Mildred wieder blass wurde.
»Hier geht es nicht um den Eingriff selbst«, sagte er rasch. »Hier geht es darum, die Art von Sehvermögen zu finden, die für dich am besten geeignet ist.« Er warf einen Blick auf Adams. »Verzeihen Sie, Doktor.«
»Nur zu«, sagte Adams.
David lächelte dankbar.
»Die Sache ist die«, wandte er sich wieder an Mildred. »Einem Chirurgen ist es heutzutage möglich, die Sehfähigkeit auf jede Entfernung wiederherzustellen.«
»Und dazu«, ergänzte Adams, »wäre es hilfreich, etwas über Ihre Lebensweise, Ihre Hobbys und Vorlieben zu erfahren. Zu erfahren, ob Sie gern lesen, schwimmen oder sticken.«
»Ich schwimme und lese. Aber ich sticke und stricke nicht«, sagte Mildred, um ein Lächeln bemüht.
»Verstehe«, sagte Ethan Adams.
»Ich glaube, Sie müssen noch ein paar kleine Messungen vornehmen, Doktor«, sagte David.
»So ist es«, erwiderte Adams. »Aber einige Untersuchungen und Messungen werden wir erst möglichst kurz vor der Operation vornehmen.« Er lächelte Mildred an. »Um absolute Genauigkeit zu erzielen, verstehen Sie?«
»Natürlich. Ich weiß, ich bin ein Dummkopf, deshalb finde ich es sehr nett von Ihnen, dass Sie mir alles so ausführlich erklären.«
Es war schließlich nicht Adams’ Schuld, dass sie dieses Problem hatte.
»Muss ich über Nacht in der Klinik bleiben?«, fragte Mildred.
»In Ihrem Fall wäre es wohl leichter für Sie.«
»Darf ich es mir noch überlegen?«
»Natürlich«, sagte Adams. »Aber auch wenn kein Grund zu besonderer Eile besteht, muss ich Ihnen doch sagen, dass ich ab Mitte Juni für zwei Monate verreist sein werde.«
»Gibt es denn niemand anderen, der den Eingriff durchführen könnte?«, fragte Mildred.
»Nicht in meiner Klinik«, antwortete Dr. Adams.
»Dann besteht kein Druck«, sagte Mildred.
45.
Um Mittag bekam Sam einen Anruf von Ida Lowenstein vom gerichtsmedizinischen Institut. Sie teilte ihm mit, die vorläufigen toxikologischen Untersuchungen – die relativ schnell vorgenommen werden konnten, da ihre Suche auf ein bestimmtes
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