Blinde Verführung (German Edition)
aus ihrer Handtasche und ließ es gekonnt aufschnellen. „Ist nicht möglich, dass Patrick dich will. Er will mich . Aber wozu das Schicksal herausfordern? Ist auch schnell vorbei.“
„Evelina!“, brüllte Gregori durch den ganzen Supermarkt. Etliche Sätze auf Russisch folgten, welche das blonde Model nur abfällig lächeln ließen.
„Heidi? Ethan!“, rief Marlene kläglich, ohne den Blick abzuwenden. Stück für Stück tastete sie sich am Regal entlang. Die Büchsen unter ihren zitternden, tauben Fingerspitzen waren kühl und vollkommen unbeeindruckt von dem Drama, das sich gerade abspielte. „Sie ist hier, bei den Dosen!“ Sie fasste eine und hielt sich daran fest.
„ Scheiße . Halt durch!“, rief der Mann. „Ich bin gleich da, Marlene!“
„Bleib weg, Gregorjuschka !“, zischte Evelina und taxierte Marlene aus zusammengekniffenen Augen. „Nur, bis sie aus die Weg ist. Tu mir den Gefallen …“ Sie hob das Messer und kam mit plötzlich großen, entschlossenen Schritten wie ein weiblicher Terminator auf ihr Opfer zu. „Dir hilft keiner mehr!“
Marlene stand der Mund offen, so unglaublich war das Ganze. Sie wollte noch einmal um Hilfe rufen, weglaufen, irgendetwas tun, um von dieser glänzenden Klinge wegzukommen, aber ihre Füße wollten ihrem laute Anweisungen brüllenden Gehirn nicht gehorchen. Es war, als sei sie in Watte gehüllt, gefangen zwischen Traum und nur allzu hässlicher Realität.
„ Adieu“, gurrte Evelina. Sie hob das Messer noch etwas mehr – ein schmales, primitives Butterflymesser, das wie eine zu groß geratene Nagelfeile in ihrer eleganten, gepflegten Hand lag – und stach zu.
„ Njet !“ Der Mann, der die ganze Zeit nach ihnen gerufen hatte, kam unvermittelt um die Ecke gehechtet und packte Evelina um die Mitte.
Es ging so schnell, dass Marlene sich nicht wegducken konnte. Reflexartig und vollgepumpt mit Adrenalin riss sie den Arm hoch und wehrte die herabsausende Klinge ab. Das Messer jagte statt in ihre Brust nur wenige Zentimeter neben ihrem Kopf bis zum Anschlag durch das dünne Metall einer Tomatendose.
„Was soll das, du Hure!“, schrie Evelina und riss die Hand mit dem Messer zurück. „Halt still!“
Glücklicherweise blieb die Büchse dabei an der Klinge hängen, das verschaffte Marlene einen wertvollen Sekundenbruchteil. Sie nutzte wie ferngesteuert ihre Chance, wich etwas nach links aus und schlug kräftig mit der heimlich gegriffenen Dose gegen Evelinas Hand. Jaulend ließ diese ihre Waffe fallen. Dabei verspritzten die aufgeschlitzten Tomaten etliche Tropfen auf Marlenes Hals und Oberteil, bevor sie dumpf scheppernd zu Boden fielen und sich zu ihren Füßen erbrachen.
Der Mann murmelte ein paar atemlose Worte – vielleicht ein Dankesgebet – denn so, wie Evelina um sich schlug, hätte sie ohne Marlenes Eingreifen gewaltigen Schaden anrichten können.
„Lass mich los, Gregorjuschka !“, kreischte sie. Sie versuchte, ihren Cousin mit dem Absatz zu treten und schlug ihm die langen Fingernägel in die Unterarme. „Ich hatte sie endlich!“
„Oh Gott, es tut mir so leid“, keuchte Gregori. Er war leichenblass und hatte Mühe, die tobende Frau in seinen Armen festzuhalten. Nur vom Ansehen hätte Marlene nie erwartet, dass sie solche Kraftreserven hatte. „Hat sie dich erwischt?“
Stumm schüttelte Marlene den Kopf. Nun, wo die Gefahr mehr oder weniger gebannt war, setzte ihr Gehirn fühlbar aus. Zitternd wich sie zurück, bis sie nicht mehr Gefahr lief, von Evelinas Händen oder Füßen erwischt zu werden.
„Bitte sag Patrick, dass ich sie sofort nach Hause bringe. Sie wird … halt still, zaraza ! … es nicht noch einmal hierher schaffen, dafür sorge ich.“
„Nein! Nicht Russland!“, heulte der blonde Racheengel in seinen Armen. „Sie muss weg ! Patrick gehört mir , nicht ihr! Du bist Familie, du musst mir helfen!“
In diesem Moment fanden Heidi und Ethan sie. Beide waren außer Atem und sahen aus, als befürchteten sie das Schlimmste.
„Was ist passiert?“, donnerte Ethan.
„Marlene, wir haben dich gehört!“, rief Heidi aufgelöst. „Ist das Blut ? Was hat diese verrückte Kuh getan?“
„Mir geht’s gut“, erwiderte Marlene lahm. Unbewusst rieb sie sich den Unterarm, der bei ihrer verzweifelten Abwehrbewegung mit voller Wucht gegen Evelinas Handgelenk geknallt war. Er fühlte sich irgendwie taub an, so wie ihr ganzer Körper. Wer auch immer behauptet hatte, solche Situationen ließen einen das Leben in
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