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Blinde Weide, Schlafende Frau

Titel: Blinde Weide, Schlafende Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Natürlich bestanden auch einige Männer darauf, eine jungfräuliche Braut heimzuführen.
    Wie zu allen Zeiten waren die Menschen verschieden und hatten die unterschiedlichsten Wertvorstellungen. Doch der große Unterschied zwischen den Sechzigern und den angrenzenden Epochen bestand in unserer Überzeugung, dass diese Unterschiede eines Tages begraben sein würden.
    Peace!

    Das Folgende ist die Geschichte eines Bekannten, mit dem ich auf der Oberschule in einer Klasse war. Steckbrief: Er war der Mann, der alles kann. Er hatte gute Noten, war sportlich, freundlich, eine Führernatur. Er war nicht gut aussehend, sondern hatte eher ein klares, sympathisches Gesicht. Er war immer Klassensprecher. Er hatte eine schöne Stimme und konnte gut singen. Ein guter Redner war er ebenfalls. Bei Diskussionen innerhalb der Klasse äußerte er stets abschließend seine eigene ernsthafte Ansicht. Natürlich war sie nie sonderlich originell, aber wer erwartet in einer Klassendiskussion schon originelle Ansichten? Was wir erwarteten, war ein möglichst rasches Ende der Veranstaltung. Und wenn er sprach, konnten wir sicher sein, dass wir rechtzeitig fertig würden. In dieser Hinsicht war es sehr praktisch, ihn als Klassensprecher zu haben. Es gibt jede Menge Situationen auf der Welt, in denen Originalität fehl am Platz ist – in den meisten eigentlich.
    Außerdem war er ein Mann, der Achtung vor Regeln und vor dem Gewissen anderer hatte. Machte jemand Lärm, wenn wir über unseren Aufgaben saßen, ermahnte er ihn freundlich, aber bestimmt. Nur eins störte mich: Ich konnte mir nie vorstellen, was eigentlich in ihm vorging. Manchmal hätte ich ihm am liebsten den Kopf vom Hals gerissen und ihn geschüttelt, um die Geräusche darin zu hören. Bei den Mädchen war er ungemein beliebt. Kaum stand er auf, um etwas zu sagen, richteten sich die Augen aller Mädchen voller Zustimmung und Bewunderung auf ihn. Kapierte man etwas in Mathe nicht, konnte man ihn jederzeit fragen. Er war ungefähr siebenundzwanzig Mal beliebter als ich.
    Wer auf eine öffentliche Oberschule gegangen ist, weiß, dass es diesen Typ von Jungen tatsächlich gibt. In jeder Klasse gibt es einen wie ihn, ohne ihn funktioniert der Klassenverband nicht richtig. Wir verbringen viel Zeit in der Schule und lernen dort eine Menge fürs Leben. Eine dieser Lehren war für mich, dass es in jeder Gruppe so jemanden gibt, ob es einem nun gefällt oder nicht.
    Ich persönlich mache mir nicht viel aus solchen Leuten. Wir passen nicht zusammen. Mir gefallen weniger vollkommene Menschen mit mehr Ausstrahlung besser. Daher kannten dieser Junge und ich uns kaum, obwohl wir ein Jahr in der gleichen Klasse verbrachten. Gesprochen hatten wir auch nie miteinander. Erst als wir uns in den Sommerferien des ersten Studienjahres an der Uni über den Weg liefen, wechselten wir mehrmals ein paar Worte. Zufällig besuchten wir auch dieselbe Fahrschule, und dort kamen wir ab und zu ins Gespräch. In der Wartezeit tranken wir auch mal einen Tee zusammen. Fahrschulen sind wahrscheinlich das Langweiligste, Witzloseste, was es gibt, und ich war für jede Abwechslung dankbar. Worüber wir sprachen, weiß ich nicht mehr, die Gespräche hinterließen bei mir weder einen guten noch einen schlechten Eindruck.
    Aber an seine Freundin kann ich mich noch bestens erinnern. Sie war aus einer anderen Klasse und gehörte zu der Hand voll besonders schöner Mädchen. Auch sie hatte gute Noten, war sportlich und eine Führernatur und fasste am Ende von Klassendiskussionen immer die Meinungen zusammen. Ein solches Mädchen gibt es in jeder Klasse.
    Kurz gesagt, sie waren das ideale Paar. Herr und Fräulein Saubermann, wie aus der Zahnpastareklame.
    Man sah sie immer zusammen. In der Mittagspause saßen sie nebeneinander in einer Ecke auf dem Schulhof und unterhielten sich. Sie warteten aufeinander, um gemeinsam nach Hause zu fahren, und nahmen dieselbe Bahn, stiegen aber an verschiedenen Haltestellen aus. Er war in der Fußball-, sie in der Englisch-AG. Wenn ihr Unterricht nicht gleichzeitig endete, wartete derjenige, der früher fertig war, in der Bibliothek auf den anderen. Offenbar verbrachten sie jede freie Minute miteinander. Und redeten. Sie redeten und redeten die ganze Zeit. Ich weiß noch, dass ich mich immer fragte, wie man sich nur so viel zu erzählen haben konnte.
    Wir (das heißt die Clique, zu der ich gehörte) hatten nichts gegen die beiden. Wir lachten oder lästerten nicht einmal über sie. Im

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