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Blinde Weide, Schlafende Frau

Titel: Blinde Weide, Schlafende Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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plätscherten. Ich spürte, wie die Wassertropfen in meinen Ohren sich in der starken Sonne allmählich erhitzten.
    »Mann, ist das heiß!«, sagte die Frau auf der anderen Seite der Plattform. Sie hatte eine hohe, etwas süßliche Stimme.
    »Ja, wirklich«, antwortete ich.
    »Wissen Sie, wie spät es ist?«, fragte sie.
    »Ich habe keine Uhr, aber es muss so halb drei sein, vielleicht auch zwanzig vor.«
    »Wirklich?«, sagte sie und seufzte, als hätte sie auf eine andere Uhrzeit gehofft; vielleicht war sie ihr auch völlig egal.
    Sie setzte sich auf. Schweißperlen bedeckten sie wie Fliegen einen Kuchen. Das Fett begann direkt unterhalb der Ohren, fiel dann weich über ihre Schultern und setzte sich unmittelbar auf ihren pummligen Armen fort. Selbst ihre Hand- und Fußgelenke verschwanden in Fettpolstern, und ich musste unwillkürlich an das Michelinmännchen denken. Trotz ihrer Leibesfülle wirkte sie nicht ungesund. Sie sah auch gar nicht übel aus; sie war einfach nur zu dick. Ich schätzte sie auf Ende dreißig.
    »Sie sind sicher schon länger hier? So braun wie Sie sind.«
    »Neun Tage.«
    »Sie sind wirklich schön braun«, sagte sie.
    Statt einer Antwort räusperte ich mich. Das Wasser in meinen Ohren gluckerte ein bisschen.
    »Ich wohne in dem Hotel für Militärangehörige«, sagte sie.
    Ich kannte es. Es lag an der Straße, nicht weit vom Strand.
    »Mein Bruder ist bei der Navy und hat mich eingeladen. Wissen Sie, es ist gar nicht so schlecht bei der Navy. Sie zahlen gut, und auf der Basis haben sie alles, was man braucht. Und dann noch Leckerbissen wie diesen Strand. Während des Vietnamkriegs, als ich studiert habe, war es eine Schande, einen Verwandten beim Militär zu haben. Die Zeiten haben sich wirklich sehr geändert.«
    Ich nickte unverbindlich.
    »Mein Ex-Mann war auch bei der Navy, als Kampfpilot«, fuhr sie fort. »Er tat zwei Jahre Dienst in Vietnam, dann wurde er Pilot bei United. Ich war damals Stewardess. So haben wir uns kennen gelernt. Geheiratet haben wir – wann war das? – irgendwann in den Siebzigern. Ungefähr vor sechs Jahren. So was kommt ja öfter vor.«
    »Was kommt öfter vor?«
    »Sie wissen schon. Die Crews arbeiten zu den verrücktesten Zeiten, also gehen sie meist miteinander aus. Die Arbeitszeiten und der Lebensstil sind völlig daneben. Deshalb habe ich nach der Hochzeit aufgehört zu arbeiten. Er lernte eine andere Stewardess kennen, und wir trennten uns. Auch das passiert häufig.«
    Ich wollte das Thema wechseln. »Wo leben Sie jetzt?«
    »In Los Angeles«, sagte sie. »Waren Sie schon einmal dort?«
    »Nein.«
    »Ich bin dort geboren. Dann wurde mein Vater nach Salt Lake City versetzt. Waren Sie schon einmal in Salt Lake City?«
    »Nein.«
    »Ich würde es Ihnen auch nicht empfehlen.« Sie schüttelte den Kopf und wischte sich mit der flachen Hand den Schweiß vom Gesicht.
    Es wunderte mich ein bisschen, dass sie Stewardess gewesen war. Ich hatte schon kräftige Stewardessen gesehen, die wie Ringerinnen wirkten und dicke Arme und Schnurrbärte hatten. Aber eine so korpulente Stewardess sah ich zum ersten Mal. Vielleicht nahmen sie bei United auch Dicke. Oder sie war viel dünner gewesen, als sie dort arbeitete.
    »Wo wohnen Sie denn?«, fragte sie mich.
    Ich deutete mit dem Finger auf unser Cottage.
    »Sind Sie allein hier?«
    »Nein«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Mit meiner Frau.«
    »Auf Hochzeitsreise?«
    »Nein, wir sind seit sechs Jahren verheiratet«, sagte ich.
    »Wirklich?«, sagte sie. »Sie sehen eigentlich jünger aus.«
    Ich suchte mit den Augen den Strand ab. Von Mutter und Sohn nichts zu sehen. Die Soldaten spielten noch immer Volleyball. Von seinem Turm starrte der Rettungsschwimmer durch sein übergroßes Fernglas angestrengt aufs Meer, über dem nun zwei olivgrüne Militärhubschrauber auftauchten und feierlich wie Boten in einer griechischen Tragödie, die eine schlechte Nachricht überbringen, über uns hinwegdröhnten und schließlich über dem Landesinneren verschwanden. Schweigend folgten wir ihnen mit unseren Blicken.
    »Von oben sieht es sicher so aus, als hätten wir es paradiesisch«, sagte die Frau, »wie wir hier so unbeschwert in der Sonne sitzen.«
    »Kann gut sein«, erwiderte ich.
    »Die meisten Dinge sehen von oben wunderschön aus.« Sie wälzte sich wieder auf den Bauch und schloss die Augen.
    Still verging die Zeit. Ich spürte, das war der richtige Moment, um mich zu verabschieden. Ich stand auf und sagte, ich müsse

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