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Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scheibler
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fiel ein, daß er ihn nicht einmal nach seinem Alibi für die Tatzeit gefragt hatte. Aber brauchte er denn ein Alibi? War Däubler nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Täter? Sein Verstand sagte ihm, daß er im Trüben fischte. Warum aber wollten dann die unguten Gefühle nicht weichen? Im nachhinein sagte sich Lutz, daß dies genau der Moment gewesen wäre, in dem man die Geschehnisse noch in eine andere Richtung hätte lenken können. Aber selbst wenn er jetzt schon geahnt hätte, zu welcher Niedertracht Lorenz Kleinhanns noch fähig sein würde, hätte er nichts ändern können. Ein Tatverdacht ließ sich nicht mit Gefühlen begründen, und ein Haftbefehl schon gar nicht.
    Wagner stand noch immer auf der dritten Stufe der Freitreppe, wo er sich Kleinhanns in den Weg gestellt hatte, und sah zu seinem Chef hinunter, der stehend in eine Art von Sekundenschlaf gefallen zu sein schien. Als er jetzt bei ihm Anzeichen des Erwachens ausmachte, meinte er feixend: »Einen Zehner für Ihre Gedanken«, und zog einen Zehnmarkschein aus der Tasche.
    »Behalten Sie Ihr Geld«, knurrte Lutz, »oder spenden Sie es für wohltätige Zwecke.« Seine Gedanken waren kostbar und für keine Summe der Welt zu erwerben. Der Zehner, den Wagner geboten hatte, war eine Frechheit, einen Hunderter hätte er mindestens zücken müssen, er wußte ja, daß er ihn nicht annehmen würde.
    »War doch nur ein Späßle«, murmelte Wagner beschwichtigend und seufzte innerlich auf. Statt Mimose im Sauertopf zu spielen, hätte Lutz ruhig mal lachen können, und er, Wagner, hätte es sogar hingenommen, wenn Lutz sich den Zehner gegrapscht und irgendeine komische Nummer aus der Sache gemacht hätte.

III
     
     
     
    Wagner hatte Lutz dann zum Präsidium chauffiert. Während der Fahrt hatten sie sich angeschwiegen, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Die von Wagner kreisten darum, daß ihm jene von Lutz keinen Pfifferling wert seien.
    Auf dem Weg zum Kommissariat kam ihnen Krüger entgegen, der vorzeitig Feierabend machte. Die geleisteten Überstunden gaben ihm das Recht dazu. Wagner fiel auf, daß Krüger auf fast penetrante Weise gutgelaunt war. Wahrscheinlich hatte er eine angenehme Feierabendbeschäftigung in Aussicht. Wagner grinste still in sich hinein, aber das Grinsen verging ihm, als ihnen Sekunden später Gaby, die etwas vorlaute Sekretärin vom Betrugsdezernat, entgegenkam und an ihnen vorbeirauschte, um Krüger einzuholen, mit dem sie ganz offensichtlich eine Verabredung hatte. Wagner fing auf der Stelle an, mit sich, der Welt und vor allem mit Lutz zu hadern, der ihn beim gemeinsamen Maultaschenessen mit Gaby gestört und damit verschuldet hatte, daß jetzt Krüger und nicht er die junge Dame in den Feierabend begleiten durfte, den in allen Einzelheiten auszumalen sich Wagner strikt untersagte.
    Im Kommissariat wartete dann eine Überraschung auf sie, und zwar in Gestalt eines selbstbewußten, gutaussehenden jungen Mannes mit markanten Gesichtszügen, der sachdienliche Hinweise zum Fall Däubler geben wollte. Lutz bat ihn sofort in sein Büro und forderte Wagner mit einer knappen Geste auf, sich ihnen anzuschließen.
    Nachdem man sich gesetzt und Wagner demonstrativ seinen Notizblock gezückt hatte, wandte Lutz sich dem Mann zu. »Erst einmal: wie heißen Sie?« begann er.
    »Klaus Schäder.«
    Bei Lutz klingelte es: diesen Namen hatte er schon einmal gehört. Wie waren doch gleich die Zusammenhänge? Ach ja, richtig. Lutz lächelte still in sich hinein. »Fünf zwo zwo sieben sechs vier«, sagte er betont beiläufig.
    Schäder sah ihn überrascht an. »Das ist meine Telefonnummer.«
    Lutz nickte. »Sie steht im Adreßbuch der Däublers.«
    »Sie haben aber ein gutes Zahlengedächtnis«, wunderte sich Schäder, aber Lutz winkte bescheiden ab. »Ach, wissen Sie, wenn ich eine Nummer ein paarmal gewählt habe, hab’ ich sie auch im Kopf. Für eine Weile wenigstens.« Er lächelte Schäder freundlich an und wechselte dann unvermittelt zu einem sachlichen Ton: »In welchem Verhältnis stehen Sie zu den Däublers?« wollte er von Schäder wissen.
    »Ich bin mit ihnen befreundet.«
    »So? Und warum kommen Sie erst heute zu mir?«
    »Ich hatte in London zu tun und hab’ gerade erst von dieser Sache erfahren. Ich bin gleich zur Polizei, und dort hat man mich hierher geschickt.«
    »Wir werden das gegebenenfalls nachprüfen«, warnte Lutz ihn, und Wagner verdrehte die Augen. Aber so, daß Schäder es nicht mitbekommen

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