Blinde Wut
ungläubig. »Nach unseren Erkenntnissen muß es aber einen Streit gegeben haben. Waren Sie noch in der Wohnung, als die Poster von der Wand gerissen wurden?«
»Nein. Das muß später gewesen sein. Als ich wegging, hat es jedenfalls nicht nach Streit ausgesehen. Bernhard war etwas schweigsam, aber das war nicht ungewöhnlich…« Schäder hielt inne. Er merkte, daß er dabei war, geschwätzig zu werden und das könnte das Gespräch unnötigerweise in die Länge ziehen. Er wollte die Sache aber möglichst schnell hinter sich bringen. Schäder bereute längst, daß er überhaupt gekommen war, aber die Gefahr, daß man irgendwann auf ihn stoßen würde, war zu groß, und da sah es besser aus, daß er sich freiwillig gemeldet hatte.
»War er vielleicht Ihretwegen schweigsam?« meldete Lutz sich wieder.
»Wie meinen Sie das?«
»Hatten Sie ein sexuelles Verhältnis mit Frau Däubler?«
»Nein«, behauptete Schäder zögernd. Es würde Marion nicht helfen und sie schon gar nicht wieder lebendig machen, wenn er preisgab, was sich wirklich zwischen ihnen abgespielt hatte. Vielleicht würde der Kommissar Einzelheiten aus ihm herauspressen wollen, um sich heimlich aufzugeilen? Solche Typen saßen in Beichtstühlen, warum sollte es sie bei der Polizei nicht geben?
Aber Lutz zählte nicht zu dieser Sorte und gab sich mit Schäders Antwort zufrieden, wenn er auch noch nah am Thema blieb, als er seine nächste Frage stellte: »Warum hat Frau Däubler den Kontakt mit Ihnen wieder aufgenommen?«
»Was weiß ich?« antwortete Schäder ihm und breitete die Arme aus. »Vielleicht hat sie sich gelangweilt. Däubler ist ein lieber und netter Kerl, aber der geht doch völlig in seiner Arbeit auf. Und zu Hause nur seine Basteleien und seine Hirngespinste.«
»Welche Hirngespinste?« hakte Lutz sofort nach.
»Ich hab’ nie genau zugehört, wenn er davon gesprochen hat. Irgendwelche Erfindungen für die Dritte Welt. Entwicklungshilfe und so. Fragen Sie mich lieber nicht.«
Schäder schüttelte den Kopf. »Ich hab das genauso wenig verstanden wie Marion. Marion war eine unternehmungslustige Frau. Verstehen Sie? Und dann Bernhard… nett, ruhig und unbedeutend.«
»Haben Sie Frau Däubler oft besucht?«
»Ein-, zweimal die Woche vielleicht.«
»In ihrer Wohnung?«
»Ja.«
»Und Herr Däubler?« meldete sich Wagner zu Wort, der bisher geschwiegen hatte und nun meinte, auch mal was sagen zu müssen.
Schäder drehte sich zu ihm um und sagte in einem Ton, mit dem er zeigen wollte, für wie überflüssig er diese Frage hielt: »Der war auch manchmal dabei.«
»Nein«, brachte Wagner, der sich falsch verstanden fühlte, gequetscht hervor, »ich meine, hat er keinen Anstoß an Ihren Besuchen genommen?«
»Nein.«
»Wirklich nicht?« hakte Lutz nach und machte damit deutlich, daß er das Heft nicht aus der Hand geben wollte.
»Bestimmt nicht«, versicherte Schäder. »Ich hatte manchmal sogar den Eindruck, er ist mir dankbar, daß ich Marion ein bißchen ablenke.« Und er setzte, als er den skeptischen Blick des Kommissars auffing, hinzu: »Bernhard hat uns sogar aufgefordert, wir sollten zusammen ausgehen.«
»Und das haben Sie auch getan?«
»Warum nicht? Aber wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie doch Herrn Däubler selbst, der wird es Ihnen sicher bestätigen.«
»Das werde ich zu gegebener Zeit bestimmt tun«, versicherte ihm Lutz. »Über das Motiv für die Tat können Sie uns keinen Hinweis geben?«
»Nein. Er muß verrückt geworden sein.«
»Hm«, machte Lutz und starrte einen Augenblick lang vor sich hin, um gleich darauf ganz gezielt zu fragen: »Sagen Sie, Herr Schäder, rauchen Sie?«
Wagner sah zu Lutz hin und grinste ihn mitleidig an. Lutz ignorierte den Blick seines Assistenten und ließ Schäder nicht aus den Augen.
Schäder, der dieses kurze Zwischenspiel mitbekommen hatte, es aber nicht einordnen konnte und irgendeine Falle witterte, antwortete mit einem unbestimmten, zögernden »Ja.«
»Haben Sie an dem Abend auch geraucht?«
»Ja. Warum fragen Sie?«
»Ich habe gehört, daß Herr Däubler Nichtraucher ist«, gab Lutz zurück, »und sehr empfindlich auf den Qualm reagiert.«
»Ja, das stimmt«, meinte Schäder breit grinsend. »Deshalb mußte ich auch in die Küche gehen, wenn ich rauchen wollte.«
Die Sache mit dem großen Unbekannten war also geklärt und es war Wagner erspart geblieben, alle dreißig Millionen Raucher in Deutschland nach ihrem Alibi fragen zu müssen.
Lutz, der zu
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