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Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scheibler
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zu mir zurückkehren«, begann Wagner vorzulesen und fuhr im Text fort: »Spielt die geschiedene Frau eine Schlüsselrolle in der Familientragödie? Dazu Frau Hildegard Däubler-Korth: Marion mußte sterben, weil sie Bernhard nicht gehen lassen wollte.« Wagner hielt inne und reichte Lutz das Blatt. »Da, lesen Sie selbst. Die Frau muß diesem Hartwig einiges erzählt haben, was sie uns lieber verschweigen wollte.«
    Lutz überflog den Artikel und sah Wagner dann wieder an. »So? Meinen Sie?«
    »Sonst hätte er das ja nicht schreiben können.«
    »Ach, mit etwas Phantasie geht das schon«, meinte Lutz. »Wahrscheinlich hat sie dem Reporter auch nur gesagt, daß sie noch Kontakt mit ihrem geschiedenen Mann hat, und der hat dann das draus gestrickt.«
    »Glaub ich nicht«, entgegnete Wagner. »Ich meine, wir sollten dem Hartwig mal auf die Finger klopfen.«
    »Darauf wartet er doch nur«, entgegnete Lutz, »damit er zurückschlagen kann.«
    »Ja, wollen Sie denn nichts unternehmen?« fragte Wagner enttäuscht.
    Lutz zog die Schultern hoch und ließ die Frage unbeantwortet. »Apropos unternehmen«, sagte er dann und sah Wagner lauernd an. »Was haben Sie eigentlich bezüglich dieses Modells von Däubler unternommen? Und was ist mit diesem Entwicklungshilfefilm?«
    Wagner sah ihn entgeistert an.
    »Haben Sie das vergessen?«
    »Nein«, beeilte sich Wagner zu sagen, »aber ich dachte, das ist nicht mehr so wichtig.«
    »So, dachten Sie das?« fragte Lutz mit ironischem Unterton. »Na, dann wissen Sie ja, was Sie jetzt zu tun haben.«
    Als Wagner einen Einwand vorbringen wollte, klingelte das Telefon auf Lutzens Schreibtisch. Lutz nahm den Hörer ab und führte ein längeres Gespräch, was Wagner nicht davon abhielt, im Zimmer zu bleiben. Wagner bekam mit, daß Lutz um etwas kämpfte, aber um was, konnte er nicht herausfinden. Das erfuhr er von Lutz, nachdem er das Gespräch beendet hatte: »Die haben meinen Antrag abgelehnt, Däubler rund um die Uhr zu bewachen. Die Begründung ist ihnen nicht schlüssig. Außerdem herrscht Personalmangel.«
    Wagner konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, und Lutz stellte mit Entsetzen fest, daß ihm das säuerliche Mundspitzen wieder nahezu perfekt gelang. »Worauf warten Sie eigentlich noch?!« herrschte er seinen Assistenten an, und Wagner sah zu, daß er aus dem Büro kam.
     
     
    Lutz war quer durch die Stadt hinaus zu Hildegard Däubler-Korth gefahren, hatte ihr das Abendblatt präsentiert und sie um eine Stellungnahme gebeten.
    »Das ist eine reine Erfindung dieses Menschen«, empörte sich Frau Däubler-Korth. »Oder sagen wir lieber so: Es ist eine auf Mißverständnissen und Verdrehungen basierende Spekulation.«
    »Und mich interessiert, was an dieser Spekulation wahr ist«, hielt Lutz dagegen. »Denn irgend etwas muß daran wahr sein.«
    Frau Däubler-Korth starrte lange nachdenklich vor sich hin. Dann sah sie hoch und Lutz ins Gesicht. »Na schön«, meinte sie und holte tief Luft, um mit einem langen Monolog zu beginnen: »Bernhard hat den Kontakt zu mir nie ganz abgebrochen. Auch den sexuellen nicht. Vor jeder Entscheidung hat er Rat bei mir gesucht. Und jedesmal, wenn Marion ihn demütigte, mußte ich ihn trösten. Das ist in letzter Zeit übrigens immer häufiger vorgekommen. Marion hat ihn doch behandelt wie den letzten Dreck. Für sie zählte nur die materielle Sicherheit, die Bernhard ihr bot. Und dann ist auf einmal etwas geschehen, was Marion zutiefst beunruhigte: Bernhard ist plötzlich aufgewacht. Mit einem Schlag hat er erkannt, daß sein Leben in den nächsten zwanzig Jahren aus derselben Monotonie bestehen wird wie in den vergangenen Jahren – es sei denn, er selbst ändert etwas daran.« Sie hielt inne.
    Lutz sah sie skeptisch an. Als er etwas sagen wollte, fuhr sie schnell fort: »Sein ganzes Leben lang hat er geträumt. Sie wissen ja – seine Visionen…« Sie hielt inne, Lutz nickte verstehend.
    »Aber diesmal hatte er ganz konkrete Pläne«, fuhr sie fort. »Ein alter Schulfreund war plötzlich aufgetaucht. Joachim Bergmann. Bergmann war auf Urlaub hier, er arbeitet als landwirtschaftlicher Ausbilder in Afrika. Und er hat Bernhard, sicher unbewußt, den Floh ins Ohr gesetzt, sich ebenfalls beim Entwicklungsdienst zu melden. Marion hatte keinerlei Verständnis dafür, deshalb liegen die ganzen Unterlagen auch bei mir.«
    »Könnte ich die mal sehen?« unterbrach Lutz sie.
    »Natürlich.« Sie stand auf, ging zu einem Sekretär und entnahm ihm einen

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