Blinde Zeugen: Thriller
irgendetwas anzufassen.
In der obersten Schublade fand er einen halb aufgegessenen Marsriegel und einen Stoß uralter Quittungen. Nächste Schublade: Notizbuch, Heftklammern, Stifte, Hunderte bunt gemischter Visitenkarten. Er zog die unterste Schublade auf. Sie war eigentlich für Akten bestimmt, aber McPherson schien sie als Rumpelkammer für Papiere aller Art zu benutzen.
Ganz oben lag das gleiche Memo, das er auf Steels Schreibtisch gesehen hatte – das, in dem zu Nominierungen für die frei werdende Stelle eines Detective Inspector aufgerufen wurde. Bla-bla-bla, müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass DI Gray aus dem Dienst ausscheidet; bla-bla-bla; Gelegenheit, ausgezeichnete Leistungen zu belohnen; bla-bla-bla; Vorschläge bitte bis nächsten Mittwoch einreichen.
McPherson hatte mit rotem Kugelschreiber »BEATTIE?« an den Rand gekritzelt.
Idiot.
Logan legte das Memo in die Schublade zurück. Detective Sergeant Beattie könnte nicht mal seinen eigenen Hintern festnehmen, auch nicht mit drei Streifenwagen und einem Haftbefehl.
Die Kontaktdaten für Polen waren nirgends zu finden, also fuhr Logan McPhersons Computer hoch. In die Mails des Inspectors zu gelangen, war nicht sonderlich schwierig – der Trottel hatte eine Haftnotiz mit dem Passwort am Monitor hängen lassen. DI Gray war nicht der Einzige, für den dringend Ersatz gebraucht wurde.
McPhersons virtuelle Ordner waren genauso ungeordnet wie die aus Papier, aber schließlich fand Logan einen, der mit »STABSUNTEROFFIZIER CYREK ŁUKASZEWSKI – POLPRÄS WARSCHAU« betitelt war, mit Telefonnummer und E-Mail-Adresse.
Logan war versucht, einfach eine schnelle Mail abzuschicken und sich zu verdrücken, aber damit würde er Steel nur wieder einen Anlass zum Meckern liefern. Also griff er nach dem Telefon, vergewisserte sich, dass nichts Ekliges am Hörer klebte, und wählte die polnische Nummer.
Seltsame, ausländisch klingende Piepstöne, die kein Ende nehmen wollten, und dann eine gelangweilte Stimme: » Posterunek Policji, Kryminalne Biuro Słedcze, słucham. «
Logan gab sein Bestes. »Hallo? Ich meine: dzie n´ dobry, czy pan mówi po angielsku? «
» Ja, ich spreche Englisch. «
Gott sei dank. »Hier Detective Sergeant McRae, Grampian Police. Könnte ich bitte Stabsunteroffizier Cyrek …« Er unternahm einen tapferen Versuch, den Nachnamen auszusprechen. »Wu-ka-schefski sprechen?«
» Łukaszewski? «
»Ja, genau, Łukaszewski.« Hurra.
» Nein. Ist Samstag. Versuchen Sie Montag noch mal. « Doch nicht hurra.
»Oh … Kann ich eine Nachricht hinterlassen? Ich brauche Informationen zu einer Firma namens ›Kostchey International Holdings Ltd.‹«
Der Beamte am anderen Ende lachte. » Sie machen Witze, ja? «
»Nein. Wieso sollte ich –«
» In Polen, Kostchey ist Herr von Unterwelt. Kostchey der Unsterbliche. «
»Es gibt sonst niemanden bei Ihnen, der Kostchey heißt?«
Noch mehr Gelächter. » Kriminelle und Gangster alle wollen Kostchey der Unsterbliche sein. Denken wohl, hört sich irgendwie tough an. Ist nicht richtige Name. «
Wieder eine Sackgasse. Logan hielt die Hand über den Hörer und fluchte. Steel würde nicht begeistert sein.
» Hallo? «
»Einen Augenblick, bitte …« Auf dem überfüllten Schreibtisch lag eine Notiz von Finnie, in der er McPherson aufforderte, endlich in die Gänge zu kommen und wegen der Liste der Ödipus-Opfer bei der polnischen Polizei nachzuhaken. Oben auf dem Zettel hatte McPherson notiert: »GLEICH MONTAG FRÜH ERLEDIGEN!!!« Und dann hatte er »MONTAG« durchgestrichen und dafür »DIENSTAG« hingeschrieben. Aber zu der Zeit hatte der Dussel wahrscheinlich schon in einem Krankenhausbett vor sich hin geschnarcht und sich von seiner Gehirnerschütterung erholt. Was vermutlich bedeutete, dass es immer noch nicht erledigt war.
» Hallo? Sind Sie noch da? «
»Ja, tut mir leid. Also, wir hatten hier in letzter Zeit eine Serie von Blendungen –«
» Blen-dungen? «
»Blendungen – die Augen ausgestochen und ausgebrannt.«
Logan konnte fast hören, wie der andere mit den Schultern zuckte.
»Sämtliche Opfer waren Polen, und wir müssen wissen, ob es zwischen ihnen irgendeine Verbindung gab. Könnten Sie mir den Gefallen tun und jemanden damit beauftragen, die betreffenden Personen zu überprüfen?« Dann ging er die Liste der Namen durch und ließ sie sich von dem Mann am anderen Ende wiederholen.
» Okay, ich sage Łukaszewski , wenn er Montag kommt. « Und dann legte der
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