Blinde Zeugen: Thriller
vielleicht besser, wenn Sie den Namen von Polizeihauptmeisterin Jaroszewicz nicht erwähnen. Anscheinend sind Warschau und Krakau sich nicht besonders grün.«
» Ich rufe gleich dort an. Sehen Sie nur zu, dass Sie mir irgendetwas finden , verstanden? «
Und dann legte der DCI auf.
Laut der Anzeige des Computers reichte Logans Geld noch für weitere fünf Minuten, also öffnete er eine neue Mail und zwang sich, etwas an Samantha zu schreiben. Eine Entschuldigung, aber nicht zu kriecherisch. Und diesmal schaffte er es sogar, sie abzuschicken.
Dann nahm er seine Jacke und spazierte hinaus in den Sonnenschein.
Es war kurz nach fünf, und die Straßen belebten sich allmählich – Einheimische, die von der Arbeit nach Hause gingen; noch mehr Touristen mit Kameras; kleine alte Damen, die an den Ecken standen und geräucherten Käse in absonderlichen, leicht phallischen Formen feilboten. Er schlenderte zum Hotel zurück und blieb vor jedem Restaurant stehen, um die Speisekarte zu studieren, als plötzlich sein Handy klingelte. Es war Jaroszewicz.
» Ich habe jemanden gefunden! Ich kann es gar nicht glauben! «
Logan hörte schweigend zu, während sie sich wortreich darüber ausließ, wie schwierig es gewesen sei und wie viele Zeitungen sie habe lesen und wie viele Anrufe sie habe tätigen müssen.
»Also«, sagte er, als sie endlich Luft holen musste, »wer ist es denn nun?«
» Löwenthals Bruder. Und wissen Sie, was das Beste ist? Er trifft sich heute Abend mit uns! Um neun Uhr! «
Es war Viertel vor zehn, und noch immer war er nicht aufgetaucht. Logan und Jaroszewicz warteten in einer kleinen Kellerbar in der Floria n ´ ska, nur ein paar Schritte vom Hotel entfernt – ein Backsteingewölbe mit roten Tischdecken und weißen Servietten, Kerzenlicht, Separees aus rot gebeiztem Fichtenholz, die Farbe an den Kanten schon ein wenig verblasst. An der Wand hing ein großes Ölgemälde eines kahlköpfigen Mannes mit Schnauzbart und gewaltigen Koteletten, der eine Art Militäruniform und einen grünen Kokardenhut trug.
Die Luft war von Zigarettenrauch geschwängert.
Jaroszewicz saß über ein halb leeres Pintglas Guinness gebeugt und schnipste eine einsame Erdnuss über den Tisch. »Er hat gesagt, er würde kommen.«
Logan trank sein Bier aus und deutete auf ihr Glas. »Möchten Sie noch eins, während wir warten? Vielleicht ein kleines?«
Sie zuckte mit den Achseln, und er ging nach vorn zur Bar, wo er den Goldfischen zusah, die in einem winzigen Aquarium mit Bierreklame herumschwammen, während der Barmann ihm noch ein großes Tyskie und ein kleines Guinness vom Fass zapfte.
Hinter sich hörte er Stimmen.
Logan drehte sich um und sah, dass Jaroszewicz aufgestanden war und mit einem Mann redete, auf dessen Schnauzer jedes Walross stolz gewesen wäre.
Jaroszewicz stellte ihn vor. »Das ist Henryk Löwenthal.«
Sie gaben sich die Hand, und Logan sagte. »Guten Abend.«
Der Mann sah ihn verwirrt an, und Jaroszewicz zuckte mit den Achseln. »Er spricht kein Englisch.«
»Oh … okay.« Logan versuchte es mit: » Dobry wieczór. «
»Ah!« Ein Lächeln, ein Nicken. » Dobry wieczór. «
Sie setzten sich an den Tisch, unter den wachsamen Augen des in Öl gemalten Militärs. Löwenthal räusperte sich, atmete tief durch und ratterte dann eine lange Rede herunter, von der Logan kein Wort verstand.
Jaroszewicz dolmetschte: »Er sagt, wir dürfen nicht vergessen, dass seine Familie keine Ahnung von den Machenschaften seines Bruders hatte. Keiner von ihnen hatte vorher je mit der Polizei zu tun gehabt. Es sind anständige Leute, und sie schämen sich sehr.«
»Fragen Sie ihn, wo sein Bruder jetzt ist.«
Sie starrte ihn an. »Was glauben Sie, was ich gerade tun wollte?«
»Okay, okay. Entschuldigung.«
Sie feuerte noch eine Frage ab und bekam einen weiteren Sermon zur Antwort.
»Er sagt, er weiß es nicht.«
»Herrgott noch mal …« Er seufzte. »Fragen Sie ihn, ob er eine Telefonnummer oder eine E-Mail-Adresse hat.«
Eisiges Schweigen. »Warum ist mir das bloß nicht eingefallen?«
»Ich wollte nicht –«
Aber sie redete schon weiter. Löwenthals Bruder antwortete etwas, und beide lachten.
»Was? Was hat er gesagt?«
»Er sagt, ihr Briten seid alle gleich – ihr macht euch nie die Mühe, irgendwelche Fremdsprachen zu lernen. Ihr glaubt, ihr könnt immer noch die Welt beherrschen, indem ihr ganz laut und ganz langsam auf die Eingeborenen einredet.«
»Was hat er wegen der Telefonnummer
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