Blinde Zeugen: Thriller
´ c ´ -Bewegung aktiv gewesen war.
Logan zog Löwenthals Akte heran. »Okay, das ist der Typ, auf den wir uns konzentrieren müssen.«
Sie schniefte. »Warum er? Warum nicht Gorzkiewicz, der käme doch viel eher –«
»Nein, käme er nicht. Gorzkiewicz wurde 1981 geblendet, als die Kommunisten noch an der Macht waren. Alles, was er uns erzählten könnte, wäre seit fast dreißig Jahren überholt. Und wenn es sich tatsächlich um Strafaktionen von irgendwelchen Banden handelt, dann würde es uns ohnehin nicht weiterhelfen. Aber Löwenthal wurde 2004 überfallen. Was er weiß, könnte immer noch wertvoll sein.«
»Aber wir haben keine Ahnung, wo er –«
»Wir versuchen es über das Grundbuchamt, das Melderegister, die Telefonbücher. Wir sprechen mit Informanten, mit polizeibekannten Komplizen.«
Sie lehnte sich zurück und runzelte die Stirn. »Oh … Das hatte ich nicht … Ja. Natürlich.«
Der Ober kam mit zwei großen Gläsern Bier, einem Holzbrett mit Unmengen von Brot, einem Topf mit einer Art Schweineschmalz und einem riesigen Messer. Jaroszewicz dankte ihm und reichte Logan sein Bier. Ihre Finger berührten sich an dem kalten Glas. Etwas Kondenswasser lief an der Seite hinunter und tropfte auf den Tisch.
»Äh … danke.« Logan nahm einen Schluck und tat so, als hätte er nicht gesehen, wie Polizeihauptmeisterin Jaroszewicz errötete. »Nach dem Essen rufe ich meinen DCI an; er soll sich mit dem verantwortlichen Beamten in Krakau in Verbindung setzen. Sie weigern sich vielleicht, mit der Warschauer Polizei zusammenzuarbeiten, aber es könnte ja sein, dass sie bereit sind, mit Aberdeen zu kooperieren.«
Sie nahm sich ein Stück Brot und bestrich es mit Schmalz. »Sagen Sie ihm aber, dass er auf keinen Fall meinen Namen erwähnen soll. Wenn die denken, dass eine von diesen blöden Yuppies Aberdeen benutzt, um Druck auf sie auszuüben, dann werden sie sich völlig querstellen.«
43
Es war einfach zu heiß, um konzentriert arbeiten zu können. Durch drei riesige, schmutzige Fenster fiel Sonnenlicht in den muffigen Raum. Stickig und einschläfernd. Das üppige Mittagessen, bestehend aus Rote-Bete-Suppe und Kartoffel-Teigtaschen, trug auch seinen Teil dazu bei. Das Städtische Archiv von Krakau wurde offenbar gerade renoviert, und so waren tonnenweise Akten und Dokumente in ein schmuddeliges vierstöckiges Gebäude ausgelagert worden, das in einer Reihe anderer schmuddeliger vierstöckiger Gebäude stand und eine Aussicht auf zwei Baustellen und eine Trambahnhaltestelle bot.
Die Stadtverwaltung hielt offensichtlich nichts von Klimaanlagen: In der Mitte des Saals stand ein einsamer elektri scher Ventilator, der unermüdlich hin und her schwenkte – ssssssssssss- klick , sssssssssss- klick , ssssssssssss- klick – und in der drückenden Sommerhitze lediglich ein bisschen Staub aufwirbelte. Das einzige andere Geräusch waren die gedämpften Stimmen amerikanischer Touristen, die Stapel alter Stadturkunden nach ihren Vorfahren durchforsteten.
Logan riss ruckartig den Kopf hoch. Blinzelte, schüttelte sich, gähnte.
Jaroszewicz blickte nicht auf – sie brütete über einem Stapel Zeitungen von 2004, auf der Suche nach Meldungen über die Blendung Löwenthals. Wenn sie Glück hätten, könnten sie so wenigstens herausfinden, in welchem Teil der Stadt sie suchen mussten. Und ein Abgleich mit den Löwenthals im Krakauer Telefonbuch würde sie dann vielleicht tatsächlich zum Ziel führen.
Das alte Holz knarrte, als Logan sich auf seinem Stuhl reckte. »Sind Sie sicher, dass ich nichts machen kann?«
»Wie kommen Sie darauf?« Sie blätterte weiter die vergilbten Zeitungsseiten um. »Haben Sie vielleicht Polnisch gelernt, seit Sie das letzte Mal gefragt haben? Oder die vier Male davor?«
Logan seufzte. »Ich sitze hier nur rum und tue nichts.«
Er konnte sehen, wie sie die Zähne zusammenbiss. »Dann gehen Sie und tun Sie etwas anderes. Bitte. Und lassen – Sie – mich – in – Ruhe – arbeiten!«
Er fand ein kleines Internetcafé in einer Seitenstraße des Marktplatzes, bezahlte zwanzig Zloty und rief seine E-Mails ab. Es waren die üblichen Rundmails und Dienstanweisungen; Zeugenaufrufe; ein paar Vermisstenfälle; eine Einladung zu einer Abschiedsfeier für DI Gray im Archie’s nächsten Freitag; eine Nachricht von den Zeugenschutzleuten, die schrieben, dass Kylie und ihre Schwester Tracey im Rehabilitationsprogramm erstaunliche Fortschritte machten; eine Mail von Gary, der Logan
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