Blinde Zeugen: Thriller
dass es unsere Schuld sei: Wenn wir nicht wollten, dass er weiter Menschen blendet, hätten wir ihn längst geschnappt.«
»Wird wohl so sein …« Logan gab Finnie die Plastikbeutel zurück. »Aber wieso vergreift er sich dann an Simon McLeod? Der ist doch gar kein Pole.«
Der DS drückte auf die Hupe: TRÖÖÖÖÖÖÖÖÖT! »Na los, fahr schon!« Der Megane schoss nach vorn, und Pirie trat aufs Gas, bis er wieder hinter seinem Vordermann klebte. »Wie will man das wissen bei so einem Irren? Die McLeods haben einen ganzen Stall voller Nutten – vielleicht wollte unser Bursche eine Nummer mit einem netten Schottenmädel schieben und hat stattdessen eine Polin erwischt? Es gefällt ihm nicht, wie unser guter Aberdeener Genpool von diesem schmutzigen Ausländergesocks verdorben wird. Oder vielleicht war Simon McLeod nur zur falschen Zeit am falschen Ort?«
Finnie grinste wieder. »Geschieht ihm verdammt recht – die ganze Familie geht mir schon seit Jahren ganz gewaltig auf die Eier.«
Zwanzig Minuten später parkte DS Pirie vor einem mit Rosen überwucherten Bungalow in Garthdee. Nicht gerade der Ort, an dem man das Hauptquartier eines Gangsterbosses vermutet hätte, und doch hatte Tony McLeod vier Jahrzehnte lang von hier aus die Fäden seiner Organisation gezogen. Bis zu seinem dritten Herzinfarkt. Die Kripo von Aberdeen hatte einen Kranz geschickt und anschließend eine Party geschmissen.
»Na schön«, sagte Finnie und kletterte hinaus in den warmen Nachmittag. »Sergeant McRae, meinen Sie, Sie schaffen es vielleicht , da drin die Augen offen und den Mund geschlossen zu halten? Hmmm? Einfach nur mir zuliebe?«
Logan seufzte. »Ja, Sir.«
Sie öffneten das Gartentor und marschierten auf die Haustür zu, umwabert von Rosendüften. Eine kleine alte Frau öffnete nach dem zweiten Läuten und blickte lächelnd zu ihnen auf. Sie trug knallgelbe Gummihandschuhe und roch nach Möbelpolitur.
»Sie wünschen?«
»Hallo, Doris.« Finnie zeigte ihr seinen Dienstausweis, und ihr Lächeln war plötzlich wie weggeblasen. »Ist Agnes in der Nähe?«
Die alte Frau drehte sich um und rief ins Haus hinein: »Mrs. McLeod, die Bullen sind da! Schon wieder. «
Simon McLeods Mutter erschien, eine Frau mit harten Zügen und kurzen blonden Haaren, gekleidet in schwarze Kaschmirwolle und weiße Seide. Sie war über und über mit Goldschmuck behängt, funkelnde Ringe an jedem Finger: Brillanten und Saphire, Rubine und Siegelringe. Eine Elster mit Kreditkarte.
Sie musterte Finnie mit einem abfälligen Blick und fragte: »Was zum Teufel wollen Sie von mir?«
»Mrs. McLeod, können wir bitte reinkommen?«
»Haben Sie ’nen Durchsuchungsbeschluss?«
Finnie deutete ein Lächeln an. »Würde ich dann noch fragen?«
»Dann können Sie gleich wieder dorthin verschwinden, wo Sie hergekommen sind.« Sie ließ den Blick vom Chief Inspector zu Logan und Pirie wandern. » Aye , und Ihre zwei Gespielen da können Sie auch gleich mitnehmen.«
»Es geht um Simon, Mrs. McLeod.«
Sie verschränkte die Arme und wuchtete dabei ihren Busen ein Stück nach oben. »Sie sollten sich was schämen – da draußen laufen Perverse frei rum, und Sie kommen hierher und belästigen uns. Mein Simon ist ein seriöser Geschäftsmann, und er ist –«
»Er wurde heute Morgen überfallen.«
»Reden Sie keinen Quatsch – wer wäre denn so blöd, meinen –«
»Simon liegt im Krankenhaus. Man hat ihn geblendet.«
Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. »Aber … Wir …«
»Jemand hat ihm die Augen ausgestochen.«
»O Gott …« Mrs. McLeod wankte, und die alte Frau eilte herbei, um sie zu stützen.
Finnies Stimme war jetzt sanfter. »Fällt Ihnen irgendjemand ein, der Ihrem Sohn so etwas antun könnte?«
Doris zog Mrs. McLeod sanft ins Haus zurück und kehrte den Polizisten auf der Schwelle den Rücken zu. »Verschwinden Sie! Sehen Sie denn nicht, dass sie einen fürchterlichen Schock hat?« Und dann knallte sie die Tür zu.
8
Logan schloss seine Wohnungstür auf und stolperte erschöpft über die Schwelle. Er hätte schon vor anderthalb Stunden zu Hause sein sollen, aber dieser blöde Finnie hatte darauf bestanden, dass sie Mrs. McLeod ins Krankenhaus folgten. Nur um sie wissen zu lassen, dass er sie beobachtete. Idiot.
Logan warf einen Blick ins Wohnzimmer mit dem abgedeckten Sofa, dem herausgerissenen Teppichboden, den nackten Glühbirnen und dem Geruch nach Farbe – und beschloss, dass er im Moment wirklich keine Lust auf Renovieren
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