Blinde Zeugen: Thriller
Gesicht geschlagen. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor und tropfte auf das Kopfsteinpflaster.
Die Schlange löste sich auf, alle zogen sich zurück, um den Kampf aus sicherer Entfernung zu verfolgen. Niemand ging dazwischen, um die Streitenden zu trennen. So viel zum Thema Zivilcourage.
Logan rief: »POLIZEI! Sie sind alle festgenommen!« Und dann wünschte er, er hätte es nicht getan.
Die drei Kapuzentypen, die Nummer eins als Verstärkung mitgebracht hatte, zogen ihre Waffen – ein Hackbeil, ein Kampfmesser und eine Machete. Und alles, was Logan hatte, war ein betrunkener Detective Constable Rennie.
»Okay, wir haben hier alle schon mehr als genug Stress – macht es nicht noch schlimmer.«
Kapuze Nummer eins lachte. »Kommst dir wohl ganz toll vor, ey? Aber weißt du was? So ’ne Bullenschweine wie dich verputz ich zum Frühstück …« Er fuchtelte mit seinem Messer vor Logans Gesicht herum, hin und her und vor und zurück und im Kreis. Logan sah die selbst gemachten blauen Knast-Tattoos auf seinen Händen.
Sein Magen krampfte sich zusammen. Warum musste es auch ein Messer sein? Warum musste es jedes Mal ein Messer sein?
Nun, Logan hatte eine unangenehme Überraschung für ihn parat: Gegen Pfefferspray hatte kein Messerstecher eine Chance. Er griff in seine Tasche – und dann fiel ihm ein, dass die Dose auf seinem Schreibtisch drüben im Präsidium stand und darauf wartete, nachgefüllt zu werden.
Verdammt.
Er hob die Hände und versuchte, seine Stimme ruhig zu halten – versuchte, so zu klingen, als hätte er alles im Griff. »Kommt, Leute, das muss doch alles wirklich nicht sein …«
Murray lag zusammengekrümmt zwischen ihnen auf der Straße und schluchzte. »Mein Gesicht!«
Kapuze Nummer eins grinste, wischte die Klinge seines Butterflymessers an einer KFC-Papierserviette sauber und klappte es zu. »Bis demnächst, Bullenschwein.« Er tänzelte ein paar Schritte zurück, und dann liefen er und seine Truppe johlend und lachend die Belmont Street hinunter und verschwanden in der Dunkelheit.
Logan zog sein Handy aus der Tasche, rief die Leitstelle an und gab durch, dass das Videoüberwachungs-Team Ausschau nach vier weißen Männern in Kapuzenpullis und Baseballkappen halten sollte, die den Schoolhill hinaufliefen.
Und einen Krankenwagen sollten sie auch schicken.
Logan warf Rennie einen finsteren Blick zu. »Du warst ja wirklich eine große Hilfe!«
Der Constable zuckte mit den Achseln. »Weißt du, ich bin ganz schön besoffen.« Er torkelte ein paar Schritte über das blutverschmierte Kopfsteinpflaster. »Wollen wir … wollen wir sie nicht verfolgen?«
»Zu zweit gegen vier bewaffnete Männer? Super Idee, wirklich.« Logan zog ein Taschentuch heraus, faltete es zu einem Quadrat, gab es Kevin Murray und ermahnte ihn, fest draufzudrücken.
Im Nu war der weiße Stoff durchtränkt und dunkelrot verfärbt.
Logan schickte Rennie zur Dönerbude, um ein paar Papierservietten zu besorgen, und hockte sich dann neben den Verletzten.
»Willst du mir vielleicht verraten, worum es bei dem ganzen Streit ging?«
»Scheiße, mein Gesicht!«
Logan streifte sich ein Paar Latexhandschuhe über und zog Murrays Hände weg. Seine Nase war gespalten; die untere Hälfte hing nur noch an einem Hautfetzen. Eine klaffende Schnittwunde zog sich quer über seine rechte Wange. Kurz sah Logan tief drinnen den Knochen aufblitzen, und dann verschwand alles in einer dunkelroten Flut.
»Ist es schlimm? Es ist schlimm, oder? Na los, sag schon, Mann!«
»Es … Es ist nur ein Kratzer. Ein paar Stiche, und du bist wieder okay.« Lüge, Lüge, Lüge. »Wer waren die Typen?«
Aber Murray hielt nur seine Nase fest und fing an zu weinen. Die Tränen vermischten sich mit dem Blut, das aus seinem aufgeschlitzten Gesicht strömte.
Rennie kam mit einem großen Stapel Servietten zurück. Besser als gar nichts, aber es dauerte nicht lange, bis nur noch ein Haufen klebriges rotes Pappmaché übrig war.
Als der Krankenwagen eintraf, lag der Patient schon bewusstlos auf dem Kopfsteinpflaster.
9
Das Telefon klang wie ein Aluminium-Igel, der in den Wäschetrockner geraten ist. Logan stöhnte, wälzte sich auf die andere Seite und schielte nach dem Wecker – fast halb zehn. Er ließ den Unterarm quer über seine Augen fallen und wartete darauf, dass der Anrufbeantworter ansprang.
Köstliche Stille.
Und dann legte sein Handy los und dudelte irgendwo am anderen Ende des Zimmers die Danse macabre .
»Verdammter Mist
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