Blinde Zeugen: Thriller
Gruppe betrunkener Männer den beliebten polnischen Evergreen Sto lat , beflügelt von Bier und Wodka. Bald bekamen sie Konkurrenz in Form einer recht wacklig vorgetragenen Version von Flower of Scotland.
Die Polen trafen immerhin die Töne.
»Nein, wird es nicht. Es wird bestimmt die Hölle«, sagte Logan, als sie die Straße überquerten und die Belmont Street hinuntergingen, vorbei am Café Drummond, vor dem ein kleines Häuflein verbannter Raucher stand.
»Du wärst ja nicht allein. Wir könnten … wir könnten dich mit einer von Emmas Freundinnen zusammenbringen. Sie kennt bestimmt eine, die verzweifelt auf der Suche ist –«
»Ich geh nicht auf eine Dinnerparty.«
Sie stellten sich vor der Dönerbude an.
»Bitte, bitte. Ich hab doch sonst praktisch keine erwachsenen Freunde.«
Ein schlaksiger Typ weiter vorne in der Schlange fluchte laut in sein Handy. »Nein, jetzt hörst du mir zu, verdammt noch mal – sag ihm, entweder er kommt auf der Stelle mit dem Zeug rüber, oder ich kill seine Mutter und fick ihre Leiche!« Jeansjacke, zerrissene Jeans, Haare fast bis zum Po, die Wangenknochen so scharf, dass man sie als Käsereibe hätte benutzen können. Heroin – das unfehlbare Schlankheitsmittel.
»Was hast du denn eigentlich gegen Dinnerpartys?«, meinte Rennie. »Ist doch was ganz Normales, jedenfalls für kulti …« – rülps – »kultivierte Menschen.«
Der Mann mit dem Handy war immer noch in vollem Schwung. »Ist mir scheißegal, ob er ’n Herzinfarkt kriegt, Mann! Sag ihm, er soll seinen Arsch hierherbewegen!«
»Wie kommst du eigentlich darauf, dass du mich verkuppeln musst? Bin ich vielleicht ein Fall für die Wohlfahrt …?« Logan verstummte. Vier Männer waren gerade von der Union Street her um die Ecke marschiert. Nicht getorkelt oder geschlurft, sondern marschiert. Sie trugen die übliche Anti-Überwachungskamera-Kluft: Kapuzenpullis und Baseballkappen, die Gesichter im Schatten.
Logan stieß Rennie an. »Schau mal nach links … Das andere Links. Die vier Kapuzentypen.«
»Ah ja. Und?«
»Liest du eigentlich nie die Protokolle? Gestern ist in der Thistle Street jemand niedergestochen worden. Die Kameras haben vier Kapuzentypen gefilmt, die sich aus dem Staub gemacht haben.«
»Nein, ich will nicht mit ihm reden! Sag ihm, ich bin nicht mehr da, Mann! … Ja … Mach kein’ Scheiß, ja …«
Die vier Kapuzentypen waren jetzt bis auf etwa zehn Schritte herangekommen. Sie gingen direkt auf die Spitze der Schlange und den fluchenden Mann zu.
Kapuze Nummer eins zog etwas aus der Tasche. »Ey, du da, Spasti ! Ich mein’ dich, Kevin Murray!« Er hatte ein Gesicht wie durchwachsener Speck, mit einem riesigen Zinken mittendrin. Der Akzent war reinstes Manchester. »Was hab ich dir gesagt, ey?«
Kevin Murray ignorierte ihn. »Nee, ich geb ihm nicht noch eine Woche, ich will es jetzt !«
»Ey, bist du taub, Murray?« Eine schnelle Bewegung aus dem Handgelenk, und das Ding in seiner Hand klappte auseinander – ein Butterflymesser.
Logan fluchte. Das war’s dann mit der gemütlichen Kneipentour – wäre er doch bloß zu Hause bei seinen Pinseln und Farbeimern geblieben. Er packte Rennie und ging nach vorne, was ihm ein empörtes »He, das ist ’ne Schlange hier!« von seinem Vordermann einbrachte.
Der erste Kapuzentyp versetzte Murray einen Stoß. Der taumelte, fing sich und starrte den anderen wütend an. »Ich ruf zurück«, sagte er ins Handy, und dann: »Was hast ’n für ’n Problem, Mann?«
Die drei anderen Kapuzen verteilten sich, bereit zur Attacke.
Verflucht … Logan spähte die Straße hinauf und hielt Ausschau nach den vertrauten gelb-weißen Leuchtjacken der Streifenpolizisten von der Nachtschicht. Um elf Uhr am Freitagabend hätte es eigentlich von Uniformierten nur so wimmeln müssen, aber weit und breit war keiner zu sehen. Waren wohl gerade irgendwo damit beschäftigt, eine Schlägerei aufzulösen.
»Ich hab’s dir gesagt, Murray, aber du hast ja nicht hören wollen, ey. Musstest dich ja unbedingt blöd stellen.« Er zitterte, und Speicheltröpfchen flogen aus seinem Mund.
Logan kramte seinen Dienstausweis aus der Tasche. »Okay, jetzt wollen wir uns mal alle beruhigen.« Er klappte den Ausweis auf und hielt ihn hoch. »Gibt doch keinen Grund, sich so –«
Murray holte aus und schlug nach Kapuze Nummer eins. Seine Faust segelte weit am Ziel vorbei.
Das Messer des Kapuzenmanns nicht.
»AAAAAAH!« Kevin Murray fiel auf die Knie, die Hände vors
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