Blinde Zeugen: Thriller
Brücke und lauschte auf die klagenden Schreie der Möwen im Hintergrund. »Das machst du doch mit links. Die werden von dir begeistert sein.«
»Ich kann nun mal nicht mit Kindern! Ich bin eine dreiundvierzigjährige lesbische Kettenraucherin, die flucht wie ein verfickter Kesselflicker und sich jeden Abend volllaufen lässt.«
Logan tat, als könne er es nicht glauben. »Dreiundvierzig?«
»Ach, halt die Klappe.« Sie verbrachte noch ein paar Minuten mit Rauchen und Grimmig-Dreinschauen. »Jeder Flachwichser unter der Sonne kann seine Freundin schwängern, und zack – schon ist er Papa. Egal, ob er ein Junkie, ein Alki oder pervers ist, wenn er bloß einen funktionierenden Schwanz hat, darf er Babys machen. Dem stellen die Sozialfuzzis keine blöden Fragen, oder? Und das soll fair sein?« Sie schlug mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett, worauf sich eine Aschelawine über das schwarze Plastik ergoss. »Oh, Scheiße …« Sie wischte das Gröbste mit der Hand auf und warf es aus dem Fenster, doch es blieb ein grauer Schmierfleck zurück. »Keine Ziggis, kein Alk, keine Flucherei. Hört sich das in deinen Ohren nach mir an?«
»Vielleicht wird es ja nicht ganz so –«
»Weißt du was? Scheiß drauf. Wenn ich schon für den Rest meines Lebens ein anderer Mensch sein soll, dann will ich verdammt noch mal für mein altes Selbst eine krachende Abschiedsparty schmeißen.« Steel schnipste den Rest ihrer Zigarette hinaus in den herrlichen Nachmittag, wo sie von der Seite eines Elektriker-Lieferwagens abprallte. »Trommel die Bande zusammen, Laz: Heute Abend um sieben geben wir uns die Kante, und anschließend geht’s in die Stripbar.«
Sehr stilvoll.
Aber niemand sollte Logan vorwerfen können, er sei ein Spielverderber.
11
Bei der Einsatzbesprechung am Montagmorgen herrschte eine regelrechte Volksfestatmosphäre; alle fläzten sich entspannt auf ihren Stühlen und erzählten sich, wo es im Urlaub hingehen sollte. DC Rennie – braungebrannt und selbstgefällig grinsend – verteilte einen Berg Bacon-Sandwiches. Aus den Alu-Verpackungen stieg herzhafter Duft und verbreitete sich in dem voll besetzten Raum. Logans Magen knurrte – und geriet ins Schlingern, als Rennie ihm ein Sandwich unter die Nase hielt und sagte: »Jetzt behaupte noch mal, ich wäre nie nett zu dir!«
»Uäääh – bleib mir mit dem widerlichen Zeug vom Leib!«
Der Constable ließ sich auf den Stuhl neben Logan plumpsen. »Mann, sag bloß, du bist immer noch auf diesem albernen Vegetarier-Trip? Das ist jetzt sieben Monate her, nun komm endlich mal drüber weg.«
»Weißt du, was du mit deinem Bacon-Sandwich machen kannst? Du kannst es dir mitsamt Alufolie in den –«
Die Tür ging auf, und alles setzte sich gerade hin, stellte das Schwatzen ein und sperrte die Ohren auf. Aber es war nicht DCI Finnie, der in der Tür stand, sich mit der einen Hand den BH zurechtzupfte und in der anderen eine Tesco-Plastiktüte hielt – es war DI Steel. Sie hielt inne und starrte sie alle an. »Erzählt mir nicht, dass er immer noch nicht hier ist!«
Sie fummelte noch ein wenig an ihrer Garderobe herum und setzte sich dann auf den freien Stuhl neben Rennie. Der Constable lächelte und bot ihr das Sandwich an, das Logan abgelehnt hatte. »Ich hab noch eins extra für Sie reserviert.«
Sie nahm es wortlos und schlug die Zähne hinein, um dann eine Weile kauend und mit finsterer Miene dazusitzen.
Rennie schniefte. »Gern geschehen.«
»Ach, nun spielen Sie nicht gleich die beleidigte Leberwurst.« Steels Worte mussten sich ihren Weg zwischen übervollen Backen hindurchbahnen. »Dauert das hier noch lange? Ich hab nämlich ein Date mit einem Vergewaltiger namens Norman.«
»Übrigens, als ich in Thailand war –«
Steel formte die Finger der linken Hand zu einem Mund und machte: »Bla, bla, bla. Schaut mich an, ich bin Defective Constable Rennie, und ich habe einen Urlaub in Fernost mit Gary Glitter Tours gebucht.«
Der Constable wurde rot. »Das ist nicht witzig.«
»Doch, ist es. Oder, Laz?«
Logan schüttelte den Kopf. »Hast du noch nicht gehört? Rennie hat jetzt eine erwachsene Freundin. Gut zwanzig Jahre älter als er.«
»Ist es seine Mama?«
Rennie machte ein böses Gesicht. »Das ist das letzte Mal, dass ich Bacon-Sandwiches für alle besorgt habe. Undankbares Pack.«
»Macht sie Ihnen jeden Morgen ein Lunchpaket und schärft Ihnen ein, nicht mit fremden Männern zu reden?«
»Lasst mich –«
»Und liest Ihnen abends
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