Blinde Zeugen: Thriller
Zellentrakts und knirschte mit den Zähnen.
»Was ist denn hier los?«, fragte Steel. »Haben Sie schon wieder unsere Gefangenen geprügelt? Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass das Sache des CID ist?«
»SCHEISS-POLIZEIBRUTALITÄT!«
Die Gewahrsamsbeamtin warf einen vernichtenden Blick in Richtung von Zelle 6. »Er behauptet, er hätte ein Schamhaar in seinem Tee gefunden. So ’n Quatsch. Die Kerle können froh sein, wenn sie hier überhaupt Frühstück kriegen. Wenn er das nächste Mal eingelocht wird, furz ich ihm auf sein Croissant.«
»Also, Sie Starköchin, nun verraten Sie uns schon, in welcher Zelle Rory Simpson steckt?«
»Er ist nicht –«
»WAS IST MIT MEINEN VERDAMMTEN MENSCHENRECHTEN?«
Die Aufseherin schlug mit der flachen Hand auf die Zellentür. »HALT ENDLICH DIE KLAPPE!« Einen Moment lang war es wunderbar still. »Rory Simpson war seit Freitagnachmittag hier, deshalb hatte er Anspruch auf einen frühen Gerichtstermin. Sie haben ihn als Ersten drangenommen. Er wurde gegen Kaution freigelassen – der Prozess ist in drei Wochen.«
»Ach du Sch …« Steel bremste sich gerade noch rechtzeitig. »Ach du Schande, wollte ich sagen.« Sie machte kehrt und ging zurück zur Zwischentür. »Rory ist ein Gewohnheitstier, er wird vom Gericht auf dem schnellsten Weg nach Hause gehen und unterwegs nur schnell eine kleine Flasche Brandy und ein Päckchen Vanillekekse kaufen, um sich ein bisschen zu trösten. Wir fahren einfach hin und kassieren ihn ein. Kein Problem.«
Irrtum.
12
Dem Nationalen Polizeicomputer zufolge hatte Rory Simpson eine Mietwohnung im obersten Stock einer Siebzigerjahre-Wohnanlage in Ruthrieston – nicht allzu weit von der Great Western Road entfernt, aber dennoch weit genug von der dortigen Grundschule, um das Näherungsverbot nicht zu verletzen, das ihm als registriertem Sexualstraftäter auferlegt worden war. Das Gebäude war ein dreistöckiger, gesichtsloser weißer Betonklotz mit schätzungsweise zwei Dutzend Wohnungen. Die Fassade war grau verschmiert und hier und da mit grünen Algen- und Moosflecken verunziert.
Nachdem Logan den CID-eigenen Vauxhall auf dem leeren Parkplatz hinter dem Haus abgestellt hatte, machten sie sich auf den Weg zum Vordereingang, vorbei an einer Ansammlung kaputter Mülltonnen, deren Inhalt gerade von einem lärmenden Elsternpärchen kunstvoll über den Asphalt verteilt wurde.
»Wieso brauchen wir eigentlich urplötzlich so eine Fluchkasse?«, fragte Logan.
»Hab ich doch schon erklärt – die Ausdrucksweise in der Abteilung ist einfach schockierend. Wir wollen doch schließlich Profis sein …« Steel brach ab, als sie die Eingangstür des Gebäudes erreichten. Das Schloss war mit Gewalt aus dem Holzrahmen herausgerissen worden. Steel legte die Hand auf die Tür und drückte, worauf sie aufschwang und den Blick in ein schmuddeliges Treppenhaus freigab.
DI Steel spähte hinein. »Denkst du dasselbe wie ich?«
Logan streckte die Hand aus und drückte auf den Klingelknopf mit der Aufschrift » R. Simpson «. Irgendwo über ihnen ertönte ein elektronisches Schnarren.
Keine Reaktion.
»Vielleicht sollten wir Verstärkung anfordern?«
»Du immer mit deinerVerstärkung!«
»Na und? – schon vergessen, was letztes Mal passiert ist?«
Steel trat über die Schwelle und begann die Stufen hinaufzusteigen. »Wir werfen nur mal rasch einen Blick rein.«
Logan sah ihr nach, als sie in dem düsteren Flur verschwand, und trabte dann fluchend hinterher. »Ich sage immer noch, das ist keine gute Idee …«
Der Hauseigentümer hatte offensichtlich kein Geld darauf verschwendet, eine einladende Atmosphäre zu schaffen. Treppen und Flure waren aus kahlem Beton, die Wände mit billiger mattweißer Farbe gestrichen.
Rorys Wohnung war genau dort, wo sie laut Computer sein sollte. Die Wohnungstür hing nur noch an einer Angel und stand weit offen, sodass der mit zertrümmerten Möbeln und kaputtem Geschirr übersäte Flur zu sehen war.
»Jetzt reicht’s.« Logan zückte sein Handy. »Ich rufe Verstärkung.«
Aber Steel war schon drin.
»Verdammt.« Er schlüpfte hinter ihr durch die Tür, das Telefon ans Ohr gepresst, während er darauf wartete, dass die Leitstelle sich meldete.
Durch den Flur gelangte man in ein Wohnzimmer, das aussah, als hätte eine Bombe eingeschlagen. In dem kleinen Schlafzimmer bot sich das gleiche Bild – die Schubladen aus den Nachttischen herausgerissen, ihr Inhalt im ganzen Zimmer verstreut. Ein chaotisches
Weitere Kostenlose Bücher