Blinde Zeugen: Thriller
Tisch aus. Alles Gesichter von Ödipus-Opfern, die Augen nur leere, vernarbte Höhlen. »Ich glaube, dass derjenige, der das getan hat, ein aktives Mitglied der Gemeinde von Sacred Heart war.«
Der Priester starrte die Bilder an und bekreuzigte sich. »Lieber Gott …«
»Hat irgendjemand etwas gesagt? Bei der Beichte, meine ich?«
Dafür erntete Logan einen strengen Blick. »Das Beichtgeheimnis ist unantastbar, Sergeant. Ich könnte es Ihnen gar nicht sagen, selbst wenn ich wollte.«
Logan griff scheinbar wahllos ein Foto heraus. »Luboslaw Frankowski hat sich sechs Wochen, nachdem diese Aufnahme gemacht wurde, zu Tode getrunken. Die Krankenschwester, die ihn betreute, war zwei Wochen selbst krank. Als sie wiederkam, war Luboslaw schon neun Tage tot. Allein in seiner Wohnung, und das Mitte Juni … Der Gestank war unerträglich.«
Father Burnett zuckte zusammen. Dann seufzte er. »Ich weiß, es ist schwer zu akzeptieren, aber ich kann das Beichtgeheimnis nicht verletzen.«
»Das heißt, wenn jemand hierherkäme und Ihnen erzählte, dass er sieben Menschen geblendet und ihnen anschließend die Augenhöhlen ausgebrannt hat … was würden Sie mit dem machen: ihm drei Ave Maria aufbrummen und ihm alle seine Sünden vergeben?«
»Nun«, antwortete der Priester und drückte den Deckel auf die Keksdose, »ich würde mein Bestes tun, ihn dazu zu überreden, dass er zur Polizei geht und sich stellt. Aber das ist hier unerheblich, weil niemand irgendetwas in der Art gebeichtet hat. Und ich dürfte es Ihnen zwar nicht sagen, wenn jemand so etwas gebeichtet hätte, aber dass es nicht so war, das darf ich Ihnen sagen.«
Draußen in der Eingangshalle ertönte ein Summen, und Father Burnett blickte zu dem Überwachungsmonitor auf, der auf dem Kühlschrank stand. Das Bild schwenkte langsam von links nach rechts durch den Innenhof vor dem Eingang. »Es kommt immer wieder vor, dass die Leute uns in den Hof pinkeln, wenn sie spätabends aus dem Pub kommen …«
Vor der Eingangstür schob sich ein kahler Schädel ins Bild.
Father Burnett schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Würden Sie mich bitte einen Moment entschuldigen?«
Logan wartete, bis er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde und gedämpftes Stimmengemurmel einsetzte, ehe er sich an PC Karim wandte. »Glaubst du ihm?«
»Wüsste nicht, was dagegen spräche. Er ist ein ganz netter Kerl. Das letzte Mal, als ich hier war, ging es um einen Einbruch. Jemand hatte auf der Chorempore eine Verbindungstür aufgebrochen und das Pfarrhaus geplündert. Der Pfarrer saß gerade in der Badewanne. Der arme Kerl musste, nur mit Schaum und einem Lächeln bekleidet, auf den Kerl einreden. Wie auch immer – er ist schließlich Priester, du kannst ihm vertrauen.«
»Tausende von Chorknaben dürften da anderer Ansicht sein.« Logan ging zum Fenster und blickte hinaus in einen ummauerten Garten. Rosensträucher am hinteren Ende, in der Mitte ein Taufbecken, und in einer Ecke ein Haufen Plastiktüten, die der Wind zusammengeweht hatte. »Wenn Ödipus wirklich zur Gemeinde von Sacred Heart gehörte, wieso sagt dann Father Burnett die Beschreibung nichts?«
»Zu vage?«
»Entschuldigen Sie bitte.« Der Pfarrer kam zurück, in den Händen eine braune Papiertüte. Er entnahm ihr eine Batterie von Einmachgläsern, die er in einen der Küchenschränke räumte. » Gołabki – polnische Kohlrouladen. Ich liebe das Zeug – bin auf den Geschmack gekommen, als ich in Krakau gearbeitet habe. Mr. Wołoskowski bringt mir immer welche vorbei, wenn sein Neffe zu Besuch kommt.«
Father Burnett machte die Schranktür zu. »Es sind gute Menschen, Sergeant. Sie kommen hierher, weil sie sich ein besseres Leben für ihre Familien erhoffen; sie arbeiten schwer – und ja, ich weiß, dass manche sich auch gerne mal betrinken und ein bisschen randalieren, aber tief in ihren Herzen … Was ich sagen will: Wenn jemand es auf diese Menschen abgesehen hat, dann möchte ich gerne helfen. Okay?«
»Okay.«
Father Burnett schob sie sanft hinaus in die Eingangshalle. »Ich werde es heute Abend in der Messe ansprechen. Mal sehen, ob wir ein paar Informationen für Sie auftreiben können.«
An der Schwelle blieb er stehen und schüttelte ihnen beiden noch einmal die Hand, wobei er die von Logan noch eine Weile festhielt. »Ich weiß, dass es mir wahrscheinlich gar nicht zusteht, aber mir ist jetzt wieder eingefallen, dass ich Sie kenne. Ich habe letztes Jahr über Sie und den Fleischer-Fall
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