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Blinde Zeugen: Thriller

Titel: Blinde Zeugen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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rief: »Ist jemand zu Hause?«
    Von irgendwo antwortete eine Stimme: »Hallo? Ich bin in der Küche.«
    Logan folgte Karim in einen großen Raum, der von einem langen Holztisch beherrscht wurde. Die Küchenschränke und -geräte hatten auch schon bessere Zeiten erlebt. Möglicherweise während des Krimkriegs.
    Ein Mann saß an dem Tisch, vor sich einen aufgeklappten Laptop. Anfang vierzig; fülliges Haar mit etwas Grau an den Schläfen; dünne blaue Strickjacke über einem schwarzen Priesterhemd; Brille. »Constable! Freut mich sehr, Sie wiederzusehen. Haben Sie ihn erwischt?«
    Er streckte die Hand aus, und Karim schüttelte sie lächelnd.
    »Noch nicht, Father Burnett.«
    »Oh, wie schade … Aber ich bin sicher, Sie geben Ihr Bestes.« Er erhob sich halb von seinem Stuhl und bot auch Logan die Hand. »Kennen wir uns?«
    »DS McRae. Sie sind Father Burnett?«
    »Kann’s nicht leugnen. Na, dann nehmen Sie beide doch mal Platz, und dann können wir uns in Ruhe unterhalten.«
    Logan und PC Karim saßen da und lauschten dem Grummeln und Poltern des Wasserkochers, während Pfarrer Burnett im Kühlschrank stöberte.
    »Das Problem ist: Wir haben hier eine Politik der offenen Tür, und die Leute lassen einfach grundsätzlich die Milch draußen stehen. Ah, hervorragend …« Er zog einen Plastikkarton halbfette Milch heraus. »Wo war ich stehengeblieben?«
    Logan deutete auf ein gerahmtes Foto an der Küchenwand, das Father Burnett in vollem Ornat vor der Kirche Sacred Heart in Torry zeigte.
    »Ja, richtig. Also, die Kirche war jahrelang in ziemlich schlechtem baulichen Zustand, aber endlich hatten wir doch das Geld für eine gründliche Renovierung zusammen. Und solange Sacred Heart wegen der Bauarbeiten geschlossen ist, helfe ich eben hier aus. Am Freitag werden es vier Monate.«
    Teebeutel, heißes Wasser, Milch. Er hielt Logan einen Becher hin. »Hat der in etwa die richtige Farbe für Sie?«
    »Perfekt. Und was ist mit Ihrer Gemeinde?«
    »Ah, das ist eine lange Geschichte …« Er brachte die Teebecher an den Tisch und holte dann noch eine Dose Keksmischung von Marks & Spencer. »Letztes Jahr haben wir angefangen, die Messe auf Polnisch zu lesen, zweimal die Woche – wir dachten, es würde unseren osteuropäischen Freunden helfen, sich ein wenig mehr zu Hause zu fühlen, wenn sie den Gottesdienst in ihrer Muttersprache feiern können. Dass es ihnen helfen würde, sich zu integrieren. Das Problem ist, dass sie bald schon nur noch zu den polnischen Messen gingen. Und anstatt sie mit den Einheimischen in Kontakt zu bringen, erreichten wir letzten Endes nur, dass sich eine isolierte katholische Gemeinde bildete, die ganz unter sich blieb.«
    Er schlürfte seinen Tee. »Um es kurz zu machen: Als wir Sacred Heart für die Renovierung schlossen, dachten wir uns, jetzt starten wir noch einen Versuch. Wir halten die Messe halb auf Englisch und halb auf Polnisch, viermal pro Woche.«
    »Und funktioniert das?«
    »Bis jetzt ja. Die Kirche platzt aus allen Nähten. Man sollte annehmen, dass die meisten Leute lieber in die Kathedrale gehen würden, aber … nun ja, deren Verlust ist unser Gewinn.« Father Burnett nahm sich einen Schokoladenkeks. »Eine alte Dame aus meiner Gemeinde bringt jede Woche eine Dose vorbei. Ganz im Vertrauen – ich habe ja den Verdacht, dass es sich um Beute aus Ladendiebstählen handelt, aber die Dame ist über achtzig, was will man da machen?« Er bot ihnen noch einmal von den Keksen an. »Aber ich nehme doch nicht an, dass Sie gekommen sind, um über die Integration der polnischen Einwanderer und stibitzte Kekse zu sprechen?«
    »Nun ja«, erwiderte Logan, »in gewisser Weise schon. Ist Ihnen eventuell aufgefallen, dass in der Zeit, seit die Polen hier die Messe besuchen, jemand plötzlich nicht mehr gekommen ist? Jemand, der sonst regelmäßig in Sacred Heart zur Messe ging?«
    Er runzelte die Stirn. »Nicht dass ich wüsste.«
    »Wohnt bei seiner Mutter? Vater lebt nicht mehr? Hat wahrscheinlich in einer Bar, in einem Hotel oder auf dem Bau gearbeitet?«
    Father Burnett stellte seinen Teebecher ab. »Worum geht es hier eigentlich?«
    »Sie wissen doch, wer Ödipus ist?«
    »Griechische Tragödie: Er ermordete seinen Vater und schlief mit seiner Mutter – ein bisschen wie Fraserburgh –«
    Karim sprang fast von seinem Stuhl auf. »He!«
    »Nichts für ungut. Und dann hat er sich mit einem Löffel die Augen ausgestochen.«
    Logan nahm einen Satz Fotos aus der Tasche und breitete sie auf dem

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