Blinde Zeugen: Thriller
einen Cappuccino und ein Rowie mit Butter und Marmelade. Und da ein Rowie im Grunde nichts anderes als ein Croissant war, das sich so richtig hatte gehen lassen, war es genau genommen ein kontinentales Frühstück. Kauend machte er sich auf den Weg zur morgendlichen Einsatzbesprechung.
Mit ein bisschen Glück würden die Unmengen Salz und gesättigte Fettsäuren ihn umbringen, bevor er Finnie beibringen musste, dass Tracey ihre Aussage geändert hatte.
Logan war auf halbem Weg nach unten, als sein Handy klingelte. Er jonglierte den heißen Kaffeebecher und das fettige Gebäckstück, während er sich meldete: »Hallo?«
» Hallo? Ja, bitte? « Eine Männerstimme. » Spreche ich mit Detective Sergeant Mackie? «
»McRae.«
» Ach ja. Oh, tut mir leid. Hier ist Father John Burnett von Sacred Heart … oder inzwischen von Saint Peter, um genau zu sein. Äh … ich weiß, es ist früh am Morgen, aber Sie haben eine Nachricht hinterlassen und um Rückruf gebeten? «
Zwei Minuten später eilte Logan zum Hinterausgang hinaus, im Schlepptau einen protestierenden Constable Karim.
»Aber ich soll bei der Einsatzbesprechung dabei sein – du kennst doch Finnie!« Karim trug die Standarduniform der Grampian Police: schwarzes T-Shirt, schwarze stichfeste Weste, schwarze Schirmmütze, schwarze Hose, schwarze Stiefel – und eine leuchtend gelbe Weste mit der Aufschrift POLIZEI auf dem Rücken, die den Effekt des ganzen Ninja-Ensembles irgendwie verdarb.
An dem Tor, das zum Lodge Walk führte, tippte Logan den Code ein. »Wir sind in einer Viertelstunde zurück.«
»Aber –«
»Du kannst es auf mich schieben, wenn es dich irgendwie tröstet.«
»Davon kannst du aber ausgehen, dass ich’s auf dich schieben werde.« Er folgte Logan durch die schummrige Gasse hinaus auf die Union Street. Die Sonne war blendend hell. »O Mann!« Karim griff an seine Mütze und zog sie so weit herunter, bis seine Ohren im rechten Winkel abstanden, um sein Gesicht mit dem Schirm zu beschatten. »Ist ja wie in ’ner Mikrowelle hier draußen.«
Sie überquerten die Straße und schlugen den Weg zum Castlegate ein, einem freien Platz mit Kopfsteinpflaster und Taubenkacke, in dessen Mitte das Mercat Cross, das alte Marktkreuz, thronte wie ein verdrecktes Kinderkarussell aus Granit. An dem Bauzaun, hinter dem sich die Zitadelle der Heilsarmee verbarg, lungerten ein paar Obdachlose herum und ließen sich Spiritus und Zigaretten zum Frühstück schmecken. Sie winkten und johlten, als PC Karim vorbeiging.
Logan winkte zurück. »Wusste gar nicht, dass du Verwandte in Aberdeen hast.«
»Ha, ha, sehr witzig.« Der Constable rümpfte die Nase. »Das sind Dirty Bob und sein Kumpel Richard. Die hab ich letztes Jahr davor bewahrt, zusammengeschlagen zu werden. Mag sein, dass sie stinken, aber immerhin sind sie dankbar, anders als gewisse andere Leute. Gestern Abend hab ich eine Schlägerei vor dem McDonalds aufgelöst – zwei Junggesellinnencliquen waren aneinandergeraten. Die sogenannte Brautjungfer hat mich ›Pakischwein‹ geschimpft und mich mit einem Plastiktablett zu köpfen versucht. Ich solle gefälligst dorthin zurückgehen, wo ich herkomme.«
»Was denn – an die exotischen, sonnenverwöhnten Gestade von Fraserburgh?«
»Da ist man doch gleich richtig stolz, Schotte zu sein, nicht wahr?«
Die katholische St. Peter’s Church stand versteckt am Ende des Castlegate, zwischen einem Schreibwaren- und Kopierladen und einem ehemaligen Friseurladen. Durch eine schmale Lücke zwischen den Häusern gelangte man in einen kleinen Innenhof, der nach Bleiche und Desinfektionsmittel stank.
Seitlich versetzt war eine große blaue Doppeltür zu sehen, unter einem Lanzettfenster mit einfachem, ungefärbtem Glas. An der Tür hing die in diesem Teil der Stadt übliche Begrüßung: »HINWEIS: DIESES GELÄNDE WIRD VIDEOÜBERWACHT.«
Karim ging an der Doppeltür vorbei und steuerte zielsicher die ramponierte Holztür des Pfarrhauses an. Dahinter verbarg sich ein sauberer, aber heruntergekommener Hausflur: von den blassgelben Wänden und der weißen Decke blätterte die Farbe ab, sodass der graue Putz darunter zum Vorschein kam. Das Ganze wirkte auf Logan unerwartet verwahrlost. Es war meilenweit entfernt von der üppigen Prachtentfaltung des Vatikan. Wie ein im Sterben liegender Verwandter, über den niemand reden mochte, von Besuchen ganz zu schweigen.
Der Constable öffnete eine teilverglaste Tür, die in den Haupttrakt des Gebäudes führte, und
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