Blinder Hass
Virgil.
»Aber ich «, betonte Feur, und seine dunklen Augen funkelten auf eine Weise, als ob er vielleicht doch ein bisschen Humor haben könnte. »Was hat Mr. Judds Tod überhaupt mit mir zu tun?«
»Ich hatte auf eine Offenbarung gehofft«, sagte Virgil.
»Sie meinen, die könnte ich Ihnen geben?«
»Wenn Sie das wollten«, sagte Virgil. »Ich hab gehört, Sie würden die auf der Straße verteilen.«
»Die Offenbarung des Johannes meinen Sie. Ja, natürlich.« Er blickte an Virgil vorbei zu dem Flintenmann. »Trevor, würdest du bitte ein Exemplar von dem Buch für Mr. Flowers holen?« Und zu Virgil: »Es freut mich, wenn ein Mann des Gesetzes das Buch der Bücher liest.«
»Trevor?«, fragte Virgil, als der Mann den Raum verlassen hatte. »Klingt etwas hinterwäldlerisch.«
Feur zuckte mit den Schultern. »Was soll man machen? Die Mutter gibt einem einen Namen, und den hat man dann.«
Während sie warteten, fragte Virgil im Plauderton: »Was soll denn das mit der Schrotflinte?«
»Manchen Leuten gefällt nicht, was wir zu sagen haben. Einige von denen würden mich am liebsten tot sehen. Wir üben lediglich unser Recht auf ganz normale Selbstverteidigung aus«, erklärte Feur.
»Ich hab gehört, Sie hätten ein Problem mit Jim Stryker«, sagte Virgil.
»Wir hatten unsere Reibereien. Er hat mich wegen eines Raubüberfalls ins Gefängnis gesteckt, und ich behaupte nicht, dass ich den nicht begangen hätte. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Er ist ein Mann, in dem viel Hass und Brutalität stecken. Man sieht es ihm nicht an, aber es ist so. Wenn dieser andere Mord nicht gewesen wäre, der Mord an den Gleasons, wenn es nur um Judd ginge, hätte ich gesagt, Stryker ist der Hauptverdächtige. Das könnte er zwar immer noch sein, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Gleasons ermordet hat. Warum sollte er das tun?«
Trevor kam zurück und reichte Feur ein rot gebundenes Buch. Der blickte darauf und fragte: »Wer ist würdig, die Buchrolle zu öffnen und ihre Siegel zu lösen?«
Er gab das Buch Virgil. »Wie viele haben Sie davon verschenkt?«, fragte dieser.
»Einige hundert, schätze ich. Wir geben auch andere Bücher heraus. Wir haben nämlich festgestellt, dass bei den meisten Leuten die Bibel besser in kleinen Portionen ankommt«, sagte Feur. »Aber Sie sind ja nicht wegen des Buchs hergekommen, Mr. Flowers. Was wollen Sie wirklich?«
»Es hat schon mit diesem Buch zu tun«, sagte Virgil und drehte es in den Händen hin und her. Es war identisch mit dem Exemplar, das er bei den Gleasons gesehen hatte. »Ich bin nach Bluestem gekommen, um den Mord an den Gleasons zu untersuchen, nicht den an Judd, doch jetzt ermittle ich in beiden Fällen. Und bisher habe ich nur eine Verbindung zwischen den beiden Verbrechen gefunden.«
Feurs Augenbrauen gingen in die Höhe. »Werden Sie’s mir verraten?«
»Ja. Das sind Sie.«
»Ich?« Feur kniff die Augen zusammen. »Ist das Ihr Ernst?«
»Es ist bekannt, dass Sie häufiger mit Judd geredet haben. Das haben Sie mir eben selbst erzählt. Und als ich mich im Haus der Gleasons umgesehen hab, was meinen Sie, was ich da griffbereit neben Mrs. Gleasons Platz gefunden habe? Genau so ein Exemplar von Ihrer Offenbarung. Deshalb muss ich jetzt wissen, wie eng Ihre Beziehung zu den Gleasons war und wie eng die zu Judd. In welchem Verhältnis standen Sie zu beiden?«
Feur lehnte sich zurück und breitete die Hände aus. Er hatte kleine, feminine Hände, die aber hart und rissig waren. »Ich habe mich gelegentlich mit Mr. Judd unterhalten. Er teilte einige unserer Überzeugungen, aber nicht alle. Wir hatten gehofft, ihn zum wahren Gott hinführen zu können, und wir hatten ehrlich gesagt auch gehofft, dass er uns finanziell ein wenig unterstützen würde. Das hat er bis zu seinem Tod nicht getan. Sein Sohn ist, soweit ich weiß, so nutzlos wie ein Kropf. Das war also meine Beziehung zu Mr. Judd. Was die Gleasons betrifft, so bin ich denen meines Wissens nie begegnet oder überhaupt je mit ihnen in einem Raum gewesen. Ich habe keine Ahnung, wie sie an ein Exemplar von unserer Offenbarung gekommen sind. Es sei denn, der Sheriff hat es da hingelegt. Der Sheriff mag mich nicht. Er mag niemanden von uns. Er ist durch und durch Politiker, und Politiker wollen heutzutage die Wahrheit nicht mehr hören.«
»Na schön.« Virgil starrte ihn einen Moment lang an, dann wandte er sich dem anderen Mann zu. »Trevor, würden Sie uns bitte eine Bibel holen?«
Trevor sah
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