Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
nahm die Hand von der Brust des Verwundeten, damit sich die Wirkung nicht übertrug, öffnete die Verbindung weit, und Jean-Claude füllte mich aus. Er strömte in meinen Körper, über meine Haut. Seine Macht traf auf meine, und es war, als hielte er eine Flamme an einen großen, wartenden Scheiterhaufen. Sie warf mir den Kopf zurück, bog mir den Rücken durch und strömte von meiner Haut fort, um sich auszubreiten. Sie erfasste jeden Vampir, der auf dem Flur bei uns stand. Ich spürte sie wie einzelne Lichter im Dunkeln, erkannte sie mit geschlossenen Augen.
»Zurück, meine Kinder«, hörte ich Malcolm wie aus weiter Ferne sagen, als drängte seine Stimme durch das Tosen in meinem Kopf. »Wir müssen diesen Raum ihrer schwarzen Magie überlassen.«
Ich öffnete die Augen und wusste sofort, dass sie braun loderten.
»Was passiert hier?«, fragte Smith.
Als ich zu ihm aufblickte, stieß er einen Schrei aus. Er leckte sich über die Lippen und starrte mich blass und erschrocken an.
»Wenn Sie nicht zusehen wollen, gehen Sie zu Zerbrowski.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich bleibe.«
»Es wird Ihnen nicht gefallen«, sagte ich.
Er rang darum, nicht schützend die Arme zu verschränken, und ich erinnerte mich, dass er die Energie von Gestaltwandlern spüren konnte. Nichts geht über eine kleine mediale Begabung, wenn man plötzlich mitten in einem magischen Ereignis steckt. »Es gefällt mir jetzt schon nicht, aber ich soll Sie schützen, zumindest gegen alles, was eine Schusswaffe stoppen kann.« Vielleicht war er doch vernünftiger als ich dachte. Er wusste, dass gefährliche Dinge vorgingen, gegen die er mit seiner Waffe machtlos war. Das war beinahe zu clever. Ich würde bei Smith vorsichtig sein müssen, sonst würde er mehr begreifen, als mir lieb war.
Ich wandte mich den beiden Brüdern zu. »Ich bin Jean-Claudes Diener.«
»Was schlagen Sie vor?«, fragte Wicked.
»Das Messer wird herausgezogen, dann lasse ich Truth saugen und binde ihn durch den Bluteid an Jean-Claude.«
»Er will uns wirklich nehmen?«
»Ja.«
Wicked sah seinen Bruder an. »Bist du einverstanden? Willst du dich noch einmal an einen Meister binden?«
»Hab ihre Macht gespürt, ihren Ruf«, sagte Truth röchelnd. »Wenn das die Macht des Dieners ist, muss ihr Meister noch viel mächtiger sein.«
»Heißt das ja?«, fragte ich.
Wicked nickte. »Aber wenn Sie meinen Bruder nehmen, müssen Sie mich auch nehmen.«
Ich wusste, dass Jean-Claude damit einverstanden wäre. Fragen war nicht nötig. »Einverstanden. Aber ob ich Sie beide heute Nacht sättigen kann, ist eine andere Frage.«
»Das haben wir bereits getan. Nur Truth wird viel Blut brauchen, für mich genügt ein Schluck.«
»Okay«, sagte ich. Wird das hinhauen?, fragte ich in Gedanken, und Jean-Claude antwortete, er sei so gut wie sicher. »Wäre es besser, ihn erst an uns zu binden und dann das Messer herauszuziehen?«, fragte ich.
»Vielleicht, ma petite, aber das Silber könnte auch den Prozess stören. Wir wollen, dass sich die Wunde schließt, und das tut sie nicht, solange die Silberklinge darin steckt.«
Ich blickte Wicked an, und durch meine braun lodernden Augen sah ich seine Gesichtszüge plötzlich viel klarer. Er sah gut aus, sehr männlich, genau wie sein Bruder, wie ich jetzt sah. Wieso war mir die Ähnlichkeit nicht eher aufgefallen?
»Wir müssen zuerst die Klinge herausziehen, dann bekommt er Blut.« Ich schaute auf meine Handgelenke. Das linke heilte noch von Primo und dem Zombie der vergangenen Nacht. Das rechte kam nicht in Frage. Niemals die Waffenhand verletzen, wenn es sich vermeiden lässt. Ich fasste mir an den Hals. Requiems Biss war fast zugeheilt, aber noch zu spüren. Damians Biss war noch besser verheilt. Ich war nicht bereit, etwas auszuziehen, damit schied die Brust aus. Blieb der Hals. Bald würde ich aussehen wie ein Vampir-Junkie. Oh Mann.
»Entschuldigung, ich bin im Geiste die Stellen durchgegangen. Rechte Halsseite.«
»Er kann sich nicht aufsetzen.«
»Ich werde mich hinlegen.« Ich gab Smith meine Pistole.
»Warum das?«, fragte er erstaunt.
»Ich werde Truth an meinem Hals saugen lassen. Dabei möchte ich mir keine Gedanken machen müssen, ob er an meine Pistole herankommt oder nicht.«
»Sie trauen uns nicht«, sagte Wicked.
»Ich traue niemandem.« Ich legte mich halb auf Truth, aber der Messergriff war im Weg.
»Das Messer zuerst, ma petite«, erinnerte Jean-Claude.
Ich richtete mich noch mal auf und sah Wicked an.
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