Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
war alles sehr sonderbar. Kein Vampir, außer den mächtigsten, konnte glühenden Kreuzen derartig standhalten, und nur Wiedergänger und Neulinge im Blutrausch saugten weiter, wenn ihnen jemand eine Waffe an den Kopf hielt. Man kann nicht machtvoller Meister und zugleich ein Neuling sein. Folglich entging uns hier etwas Entscheidendes. Wir übersahen jemanden, der an dem Geschehen beteiligt war.
Ich senkte meine Schilde und schaute von den Kämpfenden weg. Entweder war derjenige unsichtbar, oder er versteckte sich an einer Stelle, zu der unsere Männer noch nicht gelangt waren.
Ich entdeckte seine Energie in der hinteren Zimmerecke, wo er durch absolut nichts verdeckt war. Ich spürte ihn, sah ihn aber nicht. Das hieß, dass ich mich entweder irrte, oder er konnte sich tatsächlich in Dunkelheit hüllen und unsichtbar machen. Der einzige Vampir, der meines Wissens diese Fähigkeit besaß, war nicht menschlicher Abstammung. Mit meinen nekromantischen Kräften oder mit Hilfe von Jean-Claude hätte ich ihn wohl sichtbar machen können, doch ich hatte die Mossberg in der Hand. Wozu Magie verschwenden, wenn man Technik hat?
Ich legte an der Schulter an, zielte und drückte ab. Der Schuss tötete ihn nicht, brachte ihn aber ins Taumeln. Plötzlich war er für jeden zu sehen. Er hielt sich den Magen, wo ich ihn getroffen hatte, und sah überrascht aus. Der Scheißkerl war lang, ich hatte die Brust tiefer vermutet.
Ich traf ihn noch einmal, und er prallte gegen die Wand. »Ich will die Wand durch seine Brust sehen«, rief ich ins Mikro.
Niemand erhob Einwände. Derry war bei Mendez und half ihm. Wahrscheinlich hatte Hudson ihn hingeschickt, während ich mich auf die Enttarnung des Meistervampirs konzentrierte. Hudson, Killian und ich schossen auf ihn, bis die Tapete durch das Loch in seiner Brust schimmerte. Er rutschte an der Wand hinunter und hinterließ eine breite Blutspur. Hudson und Killian stellten das Feuer ein, ich nicht. Ich schoss dem Vampir in den Kopf, zwei Mal, dann folgten sie meinem Beispiel. Zu dritt feuerten wir weiter, bis die obere Hälfte nicht mehr da war. Erst dann ließ ich die Waffe sinken und sah mich um, was noch zu tun war.
Nun da der Meister tot war, wichen die Neulinge endlich vor den Kreuzen zurück, wie es sein sollte. Na ja, es war eigentlich nur noch einer. Sie drehte ihr blutiges Gesicht in die Ecke am Kopfende des Bettes und hielt schützend ihre kleinen Hände vor sich. Zuerst sah es aus, als hätte sie lange rote Abendhandschuhe an. Dann fiel Licht darauf und man sah das Blut glänzen. Ihre Arme waren bis über die Ellbogen blutig. Obwohl das jetzt klar war und obwohl Melbourne reglos vor ihr am Boden lag, zögerte Mendez auf sie zu schießen. Jung lehnte an der Wand, als müsste er sich stark konzentrieren, um nicht umzusinken. Sein Hals war aufgerissen, aber er blutete nicht sehr stark. Die Schlagader war noch intakt. Ein Hoch auf die Ungeübten.
»Erschießen Sie sie«, sagte ich.
Sie wimmerte wie ein verängstigtes Kind. »Bitte, bitte, tun Sie mir nichts, tun Sie mir nichts. Er hat mich gezwungen, er hat mich gezwungen.«
»Drücken Sie ab, Mendez«, sagte ich ins Mikrofon.
»Sie bettelt um ihr Leben«, hielt er mir entgegen und seine Stimme klang gar nicht gut.
»Scheiße«, zischte ich und ging quer durchs Zimmer auf sie zu. Jemand packte mich Fußgelenk. Reflexhaft schwenkte ich den Gewehrlauf nach unten. Einer der »toten« Vampire fauchte mich an. Er hatte ein Loch in der Stirn, hielt mich aber am Fuß gepackt und war drauf und dran, mich zu beißen. Auf einen halben Meter Entfernung wäre die Abgesägte besser gewesen, doch ich hatte keine Zeit, die Waffe zu wechseln. Ich schoss das Magazin leer, bis der Vampir losließ und Blut und anderes aus seinem Körper floss. »Hudson, tot sind sie erst, wenn das halbe Hirn weg ist und das Licht durch die Brust scheint.«
Er widersprach nicht, sondern trat an den nächsten am Boden liegenden Vampir heran und feuerte auf ihn. Dass ich unsichtbare Vampire sichtbar machen konnte, hatte ihn wohl doch beeindruckt.
Ich klaubte Schrotpatronen aus der Munitionstasche und lud das Gewehr, während ich zu Mendez und der weinenden Vampirfrau ging, die weiter beteuerte, dass sie gezwungen worden war.
Der nackten Frau auf dem Bett wurden bereits die Augen trüb. Scheiße. Solange noch ein Vampir lebte, konnten wir die Sanitäter nicht hereinlassen.
Killian ging zu dem verletzten Opfer. Ich hoffte, er würde ihr helfen können, denn es
Weitere Kostenlose Bücher