Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
auf sonst nichts. Es gab freie Wohnungen in dem Haus, aber die meisten waren belegt. Gut für die Investoren, schlecht für uns. Hätte das Haus fast leer gestanden, wären die Chancen für Kollateralschäden – hübscher Ausdruck – geringer gewesen. Aber wegen drohender Kollateralschäden hatten sie die vielen Bewohner evakuieren müssen. Den Vampiren konnte unsere Anwesenheit also nicht entgangen sein.
Wir standen vor der Wohnung. Sie gehörte Jill Conroy. Es kam mir vor, als wüssten wir das seit Stunden. Tatsächlich war seit der ersten Erkundung erst eine Stunde vergangen. Wir hatten schließlich doch noch die Telefonnummer eines ihrer Anwaltskollegen ermittelt. Jill fehlte in der Kanzlei seit fünf Tagen. Die ersten drei Tage hatte sie sich krank gemeldet, ab dem vierten war sie nicht mehr ans Telefon gegangen. Hm, drei Tage lang krank zu Hause, dann keine Meldung mehr. Ich wettete, dass Jill Conroy zur Untoten geworden war. Zu einer bösen Untoten, nicht zu einem Mitglied der Kirche des Ewigen Lebens und nicht zu einer von Jean-Claudes Leuten. Dass wir einen dritten Spieler in der Stadt hatten und keiner der beiden anderen das bemerkt hatte, war schlecht. Es zeigte, dass der Meister dieser Schar sehr machtvoll war oder dass wir nachlässig geworden waren.
Ich hätte gern meine Macht durch die Mauern gesandt und erspürt, wie viele dort drin waren. Mittlerweile hatte ich diese Fähigkeit, doch wenn die Vampire so gut waren, wie ich vermutete, dann würden sie es bemerken und weitere Vampirtricks anwenden. Wenn sie dagegen dachten, dass nur Polizei draußen stand, würden sie sich allein auf ihre Schnelligkeit und Stärke verlassen. Und dann würden sie unterliegen, das war eine sichere Wette. Also musste ich blind reingehen. Mal wieder. Scheiße.
Ich hatte schon viele Vampirnester ausgehoben, aber noch keins zusammen mit der Mobile Reserve oder einer anderen Sondereinheit der Polizei. In gewisser Hinsicht war das ganz anders und in anderer Hinsicht war es für mich wie immer. Erster Unterschied: Ich war nicht vorne. Hudson hatte den Befehl, sobald wir das Gebäude betraten. Soweit es mich betraf, hatte er immer das Kommando innegehabt, aber er musste mit seiner Hierarchie klarkommen. Einsatzleiter, Verhandlungsführer, taktische Führung – aber keiner von denen ging mit uns rein, und jetzt ging es nur noch darum, wer bereit war, eine Waffe in die Hand zu nehmen und Schulter an Schulter zu kämpfen.
Hudson ging als Dritter. »Sie bewegen sich, wenn ich mich bewege, Blake. Sie tun genau, was ich tue, bis ich Ihnen was anderes sage. Sobald wir drinnen sind, befolgen Sie meinen direkten Befehl oder ich lege Sie in Handschellen und lasse Sie bewachen. Ist das klar?«
»Sonnenklar«, sagte ich. Ich glaube, er mochte mich persönlich, aber professionell betrachtet war ich für ihn ein unbeschriebenes Blatt. Charme konnte nicht wettmachen, dass er mir nicht zutraute, ihm den Rücken zu decken oder keine Fehler zu machen. Ich hatte mich noch nicht bewährt.
Die Männer hoben einen großen Metallschild mit Sichtfenster in Position. Officer Baldwin trug ihn. Er war nicht der Stämmigste, das war Derry, doch Baldwin war groß, und da sich alle hinter den Schild ducken mussten, kam es auf Körpergröße an. Trotzdem war es, als ob sich lauter große Leute bei einem kleinen unter den Regenschirm drängen.
Ich hatte erwartet, dass sie einen Rammbock benutzen, um die Tür aufzubrechen, aber das taten sie nicht. Ms Conroy hatte keine Kosten gescheut und eine dicke Stahltür mit einem Sicherheitsschloss einsetzen lassen. Die Befragung der Hausbewohner zahlte sich aus. Statt mit einem Rammbock wurde die Tür nun mit einer Sprengladung geöffnet.
Als Erstes warfen sie eine Blendgranate in die Wohnung, dann gingen wir hinein, gleich nach dem betäubenden Knall und Blitz. Als die blendende Helligkeit nachgelassen hatte, kam das einzige Licht von den Lampen, die die Männer auf ihre Gewehre montiert hatten. Dann wurde es schwierig. Nicht weil wir angegriffen wurden, denn im ersten Raum war niemand, sondern weil wir alle hinter dem Schild herlaufen musste, ohne zu stolpern oder jemanden zum Stolpern zu bringen. Wir bewegten uns als Einheit, aber sehr schnell. Es war wie ein dichter Formationstanz. Gleichzeitig späht man suchend in die Dunkelheit, passt auf, dass man seine Waffe richtig hält, und gibt acht, ob eine Zielperson im Schussfeld auftaucht.
Dank der Einsatzbesprechung kannte ich die Wohnung fast so gut wie
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