Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
hindurch.
Mein Tier bäumte sich wild auf. Es brüllte und schlug mit den Pranken, wollte den Wolf nicht bei uns haben. Es war kein Platz für ihn. Es war ganz sicher nicht Platz für beide.
Richard zog die Hand zurück. »Anita, Anita, kannst du mich hören?«
Ich schrie nach ihm, denn schreien war alles, was ich noch konnte. Mir war, als würde ich von innen aufgerissen, als wollte sich der Leopard vergeblich ins Freie graben.
»Gib dein Tier einem anderen, Anita, jemandem, der es hinauslassen kann.«
Das verstand ich nicht und wollte es gerade aussprechen, doch er spürte meine Verwirrung, denn er teilte eine Erinnerung mit mir. Es heißt bekanntlich, ein Bild sagt mehr als tausend Worte, aber eine Erinnerung mit sensorischem Surround-Sound sagt noch viel mehr. Spart so viel Zeit, vermittelt Schmerz so viel schneller.
Wir waren in der Manege in Jean-Claudes Zirkus. Ich griff nach Richards Tier, nach seiner Wut, um es zu besänftigen, weil der Vampirrat ihn sonst töten würde. Ich griff nach seiner Wut, und die Macht, die er sein Tier nannte, kam zu mir. Für den Wolf roch ich nach Zuhause. Die Macht fegte in mich hinein, über mich hinweg, durch mich hindurch wie ein heißer Sturm. Es war so ähnlich wie damals, wo ich mit Richard und Jean-Claude die Macht beschwor, aber diesmal gab es keinen Vampirzauber, gegen den ich die Macht einsetzen wollte. Keinen Zufluchtsort für das Tier. Es versuchte, durch meine Haut zu kriechen, sich in mir auszudehnen, doch da war kein anderes Tier in mir. Es fand mich leer vor und wütete in mir. Ich fühlte es in mir wachsen, bis ich zu platzen glaubte. Der Druck schwoll immer weiter an und fand kein Ventil.
Richard kam blutend auf allen vieren zu mir gekrochen und gab mir einen zitternden Kuss auf die Lippen. Aus seiner Kehle kam ein Laut, und dann presste er den Mund auf meinen, bis ich die Lippen öffnete. Seine Zunge fuhr in mich hinein, seine Lippen saugten an meinen. Die blutende Wunde in seinem Mund füllte meinen mit seinem salzig-süßen Geschmack. Ich nahm sein Gesicht in die Hände, mein Mund suchte seinen, und es war nicht genug.
Die Münder aneinandergepresst, gingen wir auf die Knie. Meine Hände strichen über seine Brust, seinen Rücken, und tief in mir entspannte sich etwas. Seine Macht versuchte, nach außen zu dringen, doch ich hielt sie zurück. Richards Hände glitten an meinen Beinen hinauf und fanden den Spitzenrand des schwarzen Slips, strichen meine Wirbelsäule entlang, und ich verlor die Beherrschung. Die Macht schoss auf, drang nach außen, füllte uns beide, überflutete uns heiß, bis ich nichts mehr sah, und wir beide wie mit einer Stimme aufschrien. Sein Wolf ging auf ihn über. Ich fühlte ihn aus mir hinauskriechen wie von einem Strick gezogen und in Richard schlüpfen, wo er sich zusammenrollte. Ich erwartete, das letzte Bisschen hinübergleiten zu fühlen wie den letzten Tropfen Wein aus einem Becher, doch der blieb in mir.
Die Erinnerung zog sich zurück und ließ mich keuchend auf dem Bett zurück. Nathaniel beugte sich über mich. »Anita, Anita, was ist mit dir?« Seine Augen waren wieder lavendelblau.
Jason schnupperte an meinen Haaren. »Du riechst nach Rudel.«
Richard stand in seiner Küche, eine Hand am Rand der Arbeitsplatte, als müsste er sich aufstützen. »Weißt du es jetzt wieder?«
»Ja, ich weiß es wieder«, flüsterte ich.
»Was weißt du wieder?«, fragte Nathaniel.
»Kannst du es nicht riechen?«, fragte Jason und rieb die Lippen an meiner Wange.
Nathaniel neigte sich dicht an mein Gesicht. »Wolf«, stellte er schnuppernd fest, »Richard«, flüsterte er an meiner Wange.
Bei dem Gefühl ihrer Lippen an mir schloss ich für einen Moment die Augen, und sowie ich nichts mehr sah, hüllte mich Geruch ein wie eine Decke, der Moschusduft des Wolfs und die beißende Süße des Leoparden waren überall, und ich versank darin. Ich rechnete mit einer Beschwerde von meiner Katze, doch die blieb aus. Die Gerüche machten sie seltsam ruhig.
»Du gehörst noch immer zu den Wölfen, Anita, genau wie zu den Leoparden. Gib ihnen dein Tier.« Richard blickte zu mir hoch, und dabei fiel mir auf, dass er auch an der rechten Wange Kratzer hatte. Gewöhnlich keine Stelle, wo man im Sturm der Leidenschaft seine Markierung hinterlässt.
Ich wollte Richards zerkratztes Gesicht in seiner sonnigen Küche nicht mehr sehen und machte die Augen auf. Ich blickte auf eine Strähne kastanienbrauner Haare. Nathaniel drückte den Mund
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