Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
dazugewonnen?«
Er runzelte die Stirn. »Ich sehe nicht, was –«
»Könnte es sein, dass du meine Wut bekommen hast?«
Darauf blickte er auf. »Die kann nicht schlimmer sein als ein rasendes Tier.«
Ich lachte, und es klang heiterer als sein Lachen von eben, aber nicht viel. »Oh Richard, du warst nicht lange genug in meinem Kopf, wenn du das glaubst.«
Er blieb stur. »Ein Mensch kann nicht diese sinnlose Wut entwickeln wie ein Tier.«
»Du hast dich noch nicht mit Serienmördern befasst, oder?«
»Das weißt du genau«, sagte er mürrisch.
»Komm mir jetzt nicht schnippisch, Richard. Ich will auf etwas Bestimmtes hinaus.«
»Dann komm endlich zur Sache.«
»Siehst du, genau das meine ich. Das klingt viel mehr nach mir als nach dir. Du wirst schneller sauer und ich langsamer. Woher kommt das? Vielleicht hat meine Wut auf dich und deine Ruhe auf mich abgefärbt.«
Er schüttelte wieder den Kopf. »Du sagst damit, dass dein menschlicher Zorn größer ist als der Zorn der Bestie in mir. Das ist unmöglich.«
Jetzt war ich es, die den Kopf schüttelte. »Richard, du scheinst zu glauben, dass Menschen besser sind als Lykanthropen. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst.«
»Menschen fressen sich nicht gegenseitig auf.«
»Quatsch. Genau das tun sie.«
»Ich rede nicht von Kannibalenstämmen.«
»Ich auch nicht.«
»Wenn du Lykanthropen mit Serienmördern vergleichst, komme ich auch nicht besser damit klar, Lykanthrop zu sein.«
»Der Punkt ist der, dass Menschen genauso zornig und vernichtend sein können. Sie sind nur nicht so gut ausgestattet wie ein Werwolf. Hätten sie Reißzähne und Pranken wie ihr, würden sie die genauso einsetzen. Es ist nicht mangelnder Wille, sondern das mangelnde Werkzeug, das Menschen weniger furchterregend macht.«
»Wenn das deine Wut in mir ist, Anita, dann ist sie Furcht erregend. Sie ist schlimmer als alles, was ich je gefühlt habe. Es ist, als wäre man verrückt. Solch eine Wut, die ganze Zeit über. Ich kann nicht glauben, dass die in dir war.«
»Nicht war, sondern ist, Richard, glaub mir. Ich musste schon vor langer Zeit akzeptieren, womit ich arbeite.«
»Womit du arbeitest? Was heißt das?«
»Das heißt, dass in meinem Innern ein Abgrund kochender Wut ist. Vielleicht bin ich damit schon zur Welt gekommen. So weit ich mich zurückerinnere, ist er immer dagewesen. Der Tod meiner Mutter hat ihn weiter angefüllt.«
Er schüttelte den Kopf. »Das sagst du nur, damit es mir besser geht.«
»Warum sollte ich lügen, nur damit es dir besser geht?«
Zorn trat in seine Augen; es sah magisch aus. Eben noch vertrauenswürdiges Braun, dann plötzlich mörderische Finsternis. »Danke, vielen Dank für die Erinnerung, dass ich dir nichts mehr bedeute.«
Kopfschüttelnd ließ ich die Hände in den Schoß sinken. »Wenn es so wäre, Richard, würde ich nicht mit dir allein in diesem Zimmer sitzen.«
»Ja, du hast recht. Es tut mir leid. Ich werde nur immer so furchtbar wütend.« Er wollte sich die Arme reiben, aber die Schürfwunden schmerzten offenbar zu sehr.
»Du hast gesagt, du möchtest dir die Wunden lecken. Tu es. Es macht mir nichts aus.«
»Mir macht es etwas aus.«
»Nein, Richard, du wirst dich besser fühlen. Du wirst es sogar genießen, und das ist es, was dich stört. Nicht der Wunsch, sondern das Wohlbehagen dabei.«
Er nickte und starrte auf seine Hände. »Ich habe versucht, mein Tier anzunehmen, Anita. Ich habe es wirklich versucht.«
»Ich habe dich an einem Reh fressen sehen. Ich habe gefühlt, wie glücklich du in Wolfsgestalt warst. Es kam mir vor, als hättest du es akzeptiert.«
»Wenn ich ein Wolf bin, ja. Aber dass ich in Menschengestalt nur äußerlich Mensch bin, das verwirrt mich.«
»Dich oder Clair?
Er sah mich ein wenig ärgerlich an. »Ich dachte, du hättest den Streit nicht gehört.«
»Ich habe ein Wort aufgeschnappt, als sie dich angeschrien hat: Tier. Irre ich mich? Hat sie sich über ihr eigenes Tier beklagt?«
»Nein, du hast es richtig verstanden.« Er legte die Hände in den Schoß und seine Augen wurden wieder traurig, als hätte jemand einen Knopf gedrückt. Wütend, traurig, wütend, traurig. Ein Stimmungswechsel wie von dämonischen Schwangerschaftshormonen. »Sie hat mir vorgeworfen, sie zu vergewaltigen«, sagte er traurig.
Ich riss die Augen auf und zeigte ihm deutlich, dass ich das nicht glaubte.
Er rang sich ein kleines Lächeln ab. »Allein dein Gesichtsausdruck ist schon viel wert. Du glaubst es nicht
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