Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
wütend, aber auch nicht freundlich. »Wenn dir eine Freundin etwas erzählen möchte, was ihr nicht leichtfällt, würdest du auch sagen: ›Du wolltest reden, also rede?‹«
Ich atmete einmal tief durch. »Nein, wohl nicht. Na gut, was hältst du davon: Es tut mir leid, dass du meinst, mir etwas erzählen zu müssen, was offenbar sehr schmerzhaft für dich ist. Aber was ich vorher gesagt habe, ist trotzdem wahr. Du schuldest mir zu einem Streit mit deiner Freundin keine Erklärung, Richard. Wirklich nicht.«
»Das weiß ich, aber damit lässt sich alles am schnellsten erklären.«
Was erklären?, wollte ich fragen, verkniff es mir aber. Er quälte sich ganz offensichtlich, und ich wollte kein Salz in die Wunden reiben. Aber dass er mit mir allein sein wollte und es so spannend machte, machte mich ziemlich nervös. Meiner Ansicht nach hatten wir uns nichts Wichtiges mehr zu sagen. Dass er das offensichtlich anders sah, gab mir ein mulmiges Gefühl.
Ich saß auf der Bettkante und hielt mir mit einer Hand den Schalkragen des Morgenmantels zu, da er sonst aufklaffte. Er war eben zu breit in den Schultern, um richtig zu sitzen. Mit der anderen Hand hielt ich ihn im Schoß zusammen, um Richard keine peinlichen Einblicke zu gewähren. Vor ein paar Minuten noch hatte ich splitternackt vor ihm gestanden, und jetzt wollte ich ihn kein bisschen Haut sehen lassen? Ich glaube, das lag an seiner Bemerkung, dass er nicht mit mir reden konnte, solange ich nackt war. Würde es mir schwerfallen, ein ernstes Gespräch mit ihm zu führen, wenn er nackt wäre? Ich wollte das verneinen, aber ehrlich gesagt, lautete die stille Antwort ja. Scheiße, das brauchte ich jetzt wirklich nicht.
Er starrte wieder auf den Boden. Ich konnte das nicht aushalten. Ich wollte ihn zum Reden bringen, aber ich versuchte es ein bisschen freundlicher als vorher. Ich versuchte mir vorzustellen, er wäre ein Freund und kein Ex, der mir andauernd das Leben schwer machte.
»Was möchtest du mir über den Streit mit Clair erzählen?« Ich schaffte es sogar, einen sachlichen Ton anzuschlagen. Das gab Punkte für mich.
Er atmete tief durch, dann sah er mich mit traurigen braunen Augen an. »Das ist vielleicht nicht die richtige Stelle zum anfangen.«
»Okay«, sagte ich vorsichtig, »dann fang woanders an.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich das hinkriegen soll.«
Was denn?, wollte ich schreien, aber ich bezwang mich. Meine Geduld war noch nie grenzenlos gewesen. Wenn er sich weiter so sperrte, würde ich aus der Haut fahren. Oder meine Zunge würde mit mir durchgehen. Das brachte mich immerhin auf eine Idee. Vielleicht würde es ihm die Zunge lösen, wenn ich zu reden anfinge.
»Es ist eine Weile her, dass ich dich wütend erlebt habe«, begann ich.
»Es tut mir leid. Ich habe die Beherrschung verloren, ich wollte nicht –«
»Das sollte keine Beschwerde sein, Richard. Ich wollte sagen, dass sich deine Wut anders angefühlt hat als früher.«
Er sah mich an. »Was meinst du damit?«
»Sie fühlte sich, nein, sie schmeckte mehr wie meine eigene.«
Damit hatte ich seine volle Aufmerksamkeit. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Ich auch noch nicht, aber lass mich den Gedanken zu Ende bringen. Asher hat mir mal erklärt, dass Jean-Claude rücksichtsloser geworden ist, seit er mich als Diener hat. Und da Damian mein Diener ist, habe ich etwas von seiner Selbstbeherrschung abbekommen. Man kann nur bekommen, was der Partner zu geben hat.«
Er schaute mich an, und sein Schmerz verlor sich ein wenig beim Nachdenken. Irgendwo dahinter saß ein scharfer Verstand. Er schien ihn nur nicht immer zu benutzen. »Okay, das verstehe ich.«
»Wenn meine pragmatische Art auf Jean-Claude abgefärbt hat und er dadurch rücksichtsloser geworden ist, was hat dann auf dich abgefärbt? Ich habe etwas von deinem Wolf und deinem Hunger nach Fleisch abbekommen, und von Jean-Claude den Blutdurst und die Ardeur. Was hast du von uns bekommen?«
Er schien darüber nachzudenken. »Sein Blutdurst hat auch auf mich abgefärbt. Blut ist für mich fast so verlockend wie Fleisch. Das war vorher nicht so.« Er setzte sich in den Schneidersitz. »Es ist leichter geworden, per Gedankenübertragung mit dir zu sprechen, und vorige Nacht konnte ich dir sogar helfen, den Zombie in der Gewalt zu behalten.« Er schauderte leise, als hätte ihn das erschreckt. Ich konnte es ihm wohl kaum übel nehmen.
»Das sind aber zwei ganz neue Entwicklungen, Richard. Was hast du anfangs
Weitere Kostenlose Bücher