Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
eines der Probleme zwischen ihm und mir: Wir wussten selten, wie wir aufeinander reagieren sollten.
Ich wollte um das Bett herumgehen, aber Jason hielt mich fest. »Das ist nah genug.«
Ich widersprach ihm nicht. Ich blieb stehen und blickte zu Richard hinunter, der noch immer auf seine aufgeschürften Hände starrte. »Richard, Richard, bist du noch bei uns?«
Darauf lachte er, aber es war kein gutes Lachen. Es klang verbittert. Alle außer mir zuckten zusammen, als hätten sie damit am wenigsten gerechnet. Ich hatte mir längst abgewöhnt, bei ihm mit irgendetwas zu rechnen.
»Ich möchte mir das Blut ablecken«, sagte er mit erstickter Stimme.
»Dann tu es«, sagte ich.
Er blickte auf. »Was?«
»Es ist dein Blut. Es sind deine Hände. Wenn du deine Wunden lecken willst, tu es.«
»Wird es dich nicht ekeln?«
Ich seufzte. »Richard, es spielt keine Rolle, was ich dabei empfinde. Es ist nur wichtig, was du davon hältst.«
»Du würdest es abstoßend finden.«
Ich seufzte noch mal. »Nein, Richard, eigentlich nicht. Nach dem Lecken werden sich die Schürfstellen besser anfühlen, und du wirst den Blutgeschmack genießen.«
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Vor einem Jahr hättest du das noch nicht gesagt«, erwiderte er leise, fast flüsternd.
»Vielleicht nicht mal vor einem halben Jahr, aber jetzt sage ich es. Leck deine Wunden, Richard, lebe mit ihnen.«
»Was soll das heißen?« Sein Ärger flammte auf und schnellte mir entgegen.
»Werde nicht sauer, Richard. Ich versuche das Leben zu leben, das ich bekommen habe, nicht eines zu erträumen, das ich nie haben werde.«
»Und du denkst, das tue ich.«
»Du bist Ulfric des Felsthronvolks und zögerst, deine Wunden zu lecken, weil jemand denken könnte, dass das nicht sehr menschlich ist. Ja, ich denke, dass du dir vormachst, es könnte sich noch ein anderes Leben für dich ergeben. Aber das ist es, Richard, dieses Leben führen wir, das sind wir. Du musst es akzeptieren.«
Er schüttelte den Kopf, und seine Augen glänzten von Tränen. Seine Stimme allerdings klang normal, da war von Tränen nichts zu hören. »Ich habe es versucht.«
Ich schirmte mich so stark ab, wie ich konnte. Auf weitere Einblicke in sein Liebesleben hatte ich keine Lust. Aber ich konnte es mir auch ohne vorstellen. »Mit Clair?«
Er blickte auf, und die Wut siegte über die Tränen. Ich hatte noch nie erlebt, dass er seine Gefühle so wenig im Griff hatte. Und er schwankte extrem zwischen Wut und Schmerz. »Dann hast du es also gesehen.«
»Nur dass ihr Streit hattet, heftigen Streit. Mehr habe ich nicht mitbekommen, und seitdem schirme ich mich wie verrückt ab.«
Er wollte etwas sagen, dann blickte er zu Claudia. »Das ist keine Unterhaltung für fremde Ohren. Ich werde niemandem etwas tun.«
Die Werratten sahen mich an. Ich seufzte und überlegte, ob ich gerade eine Dummheit beging. Vielleicht, aber ich ließ mich trotzdem darauf ein. »Ihr könnt gehen.«
Claudia warf mir einen skeptischen Blick zu. »Das halte ich für keine gute Idee, Anita.«
»Ich auch nicht, geht trotzdem.«
Kopfschüttelnd drehte sie sich um und bedeutete ihren Männern, mit hinauszukommen. Als sie die Tür schon halb geschlossen hatte, sagte sie noch: »Wir sind auf dem Flur. Schrei, wenn du uns brauchst.«
Ich nickte. »Versprochen.«
Ihrem Blick nach glaubte sie mir nicht, aber sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
»Verschwinde, Jason«, sagte Richard.
»Das ist sein Zimmer«, wandte ich ein.
»Er soll es nicht hören.«
Jason stand unter Schmerzen vom Bett auf. »Wenn ich draußen bin und du tust ihr etwas an, werden weder ich noch du dir das verzeihen.«
Richard schaute zu dem großen Wolfsmann hoch. Einen Moment lang blickten sie sich schweigend in die Augen und was sie darin sahen, schien sie beide zufriedenzustellen. »Du hast recht«, sagte Richard. »Ich werde ihr nichts tun.«
»Was ist mit Nathaniel?«
Richard schaute an ihm vorbei zu der großen dunklen Leopardengestalt. »Er muss auch gehen.«
»Nur Anita kann mir das befehlen«, sagte Nathaniel.
Richard sah kurz zu mir hoch, dann senkte er den Blick. »Ich bitte nur um zwei Dinge: dass du dir etwas anziehst und alle anderen uns allein lassen. Bitte.«
Mit den Klamotten war es schwierig, weil ich noch voller Schleim war. Die paar, die ich zur Verfügung hatte, wollte ich mir nicht einsauen. Ein Morgenmantel wäre das Richtige gewesen, aber ich hatte keinen da. Für Richards Laune zögerte ich zu lange,
Weitere Kostenlose Bücher