Blinder Hunger: Ein Anita Blake Roman (German Edition)
sehr viel. Doch das war einer der Punkte, in denen Raina nicht nachgeben wollte. Sie hatte sich gewisse Dinge in den Kopf gesetzt, und dieses gehörte dazu.« Er zog sich den Morgenmantel über die Schultern, als wäre ihm kalt, und vermied es, uns anzusehen. »Ich habe ihr viele ausreden können, die wesentlich schmerzhafter gewesen wären.«
»Du hattest also keinen Spaß dabei«, sagte Richard.
Jean-Claude schoss ihm einen Blick zu, und seine Vampirkräfte strömten wie eisiges Wasser in den Raum. »Vergewaltigung ist Vergewaltigung, Richard. Ist es für eine Frau weniger brutal, weil sie Männer mag? Das frage ich dich, Richard.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Warum soll es dann für einen Mann, der Männer mag, keine Vergewaltigung sein?«
Darauf wandte Richard den Blick ab.
Ich saß auf dem Boden und wusste nicht, was ich sagen oder wen von beiden ich trösten sollte oder wie ich das überhaupt tun könnte. »Das habe ich alles nicht gewusst.«
»Die Grundbedingung war, dass niemand davon erfährt. Das hätte meine Autorität untergraben und somit den Zweck des Abkommens zunichte gemacht.«
Ich stand auf und ging zu Jean-Claude, halb befürchtend, er werde der Berührung ausweichen. Solche Erinnerungen sind schwer zu ertragen, und für Männer ist es noch schwerer. Vielleicht weil sie es nicht gewohnt sind, sich als potenzielle Opfer zu sehen. Frauen wachsen schon in dem Bewusstsein auf, dass ihnen so etwas droht, und kennen von klein auf ihre körperliche Unterlegenheit. Darum kämpfen Frauen mit hinterhältigen Mitteln; irgendwie muss man die mangelnde Körperkraft ja ausgleichen.
Ich berührte seine Wange, und er wandte mir diese nichtssagende schöne Miene zu, ein leblos wirkendes Gesicht, so als hätte die Preisgabe seines Geheimnisses ihm etwas Kostbares genommen. »Das tut mir leid«, sagte ich leise.
Er lächelte, dann fiel die Spannung von ihm ab, und allmählich kehrte das Leben in ihn zurück. »Ich dachte, du würdest wütend werden.«
»Mit dem Opfer?« Ich zog die Brauen hoch. »Du solltest mich besser kennen, Jean-Claude.«
Er lächelte etwas breiter und schmiegte die Wange in meine Hand. »Ich habe dir nie gedankt, nachdem du sie getötet hattest.«
»Glaub mir, es war mir ein Vergnügen. Sie wollten damals mich töten und es filmen.«
Richard stand auf und kam ans Bett, wo er knapp außer Reichweite stehen blieb. »Wegen dieser Nacht habe ich damals mit Raina Schluss gemacht.« Er lachte bitter, und es klang, als würde er daran ersticken. »Schluss machen, oh Gott, das klingt so pubertär. Gabriel und ich hätten uns beinahe totgeprügelt, während sie zusah.« Er schüttelte den Kopf. Seine Haare waren nur wenig länger als damals. Ich fragte mich, ob er sie deshalb hatte lang wachsen lassen, damit er sich anders fühlen konnte.
»Ich kann jemand anderen finden«, sagte Jean-Claude. »Du sollst nichts tun, was dir Unbehagen bereitet.«
Richard sah uns an. »Das ändert nichts an dem, was ich vorhin gesagt habe. Wir drei müssen uns enger verbinden.«
»Ich glaube nicht, dass du schon bereit bist, das Nötige dafür zu tun«, wandte Jean-Claude ein.
»Was ist denn dazu nötig«, fragte er.
Jean-Claude leckte sich über die Lippen. »Im Grunde weiß ich es nicht. Das ist Magie, nicht Wissenschaft. Ich könnte dir das vierte Zeichen geben, da wüsste ich, was ich tun muss. Aber was gestern im Club passiert ist, war etwas anderes. Es war, als ob Anita in mich hineinschlüpfte. Wir waren so eng verbunden wie noch nie, und das hat uns enorme Macht verliehen.«
»Wie kam es zustande?«
»Durch Berührung.«
»Wir waren mitten in einer gefährlichen Schlägerei.«
»Oui, ich glaube trotzdem, es funktioniert durch Berührung. Wir stammen alle aus Belles Linie, und ihre Magie kann durch Körperkontakt beschworen werden.«
»Durch Körperkontakt.« Richard schüttelte den Kopf. »Definiere das mal.«
Jean-Claude lächelte. »Sag mir, was du von meiner Seite dulden würdest, Richard. Bei welchen Regeln und Beschränkungen würdest du dich sicher fühlen?«
»Was, wenn ich sage: Fass mich nicht an?«
»Dann sage ich: Wir verschwenden unsere Zeit. Ma petite und ich haben einander berührt, als es passierte, nicht auf intime Weise, aber der Kontakt war wichtig. Der macht es meinen Kräften leichter.«
»Was heißt für dich: nicht intim?«
»Ich glaube, ich hielt seine Hand«, sagte ich.
Richard lächelte. »Händchenhalten, das schaffe ich.«
Jean-Claude lächelte ebenfalls,
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