Blinder Instinkt - Psychothriller
Gespräch eröffnete.
»Gut, sehr gut. Ich denke darüber nach, eine Halbtagskraft einzustellen.«
Sie hielt mit dem Kauen inne und sah ihn über den Tisch hinweg an. Schon schoben sich ihre Lippen zu einer Schnute zusammen.
»O Junge, ich weiß nicht, ich weiß nicht. Dein Vater hat immer gesagt, das Geschäft muss in der Familie bleiben. Einen Fremden hereinholen … Ich weiß nicht. Warum suchst du dir nicht endlich eine nette Frau? Die könnte dir doch im Laden helfen. Ich stand deinem Vater immer zur Seite. Wir brauchten nie eine fremde Hilfe. Wenn die Arbeit zu viel wurde, haben wir eben nachts gearbeitet. Du weißt doch, ohne Fleiß kein Preis! Nein, nein, such dir lieber eine Frau, eine ordentliche, die anpacken und kochen kann. Das wäre eine gute Lösung. Aber du musst auch etwas an deinem Aussehen ändern, musst mehr aus deinem Typ machen. Schau doch mal in den Spiegel! Wie du schon wieder aussiehst, das geht doch so nicht. Heutzutage wollen die Frauen Männer mit Effet!«
Er ließ die Litanei mit gesenktem Kopf über sich ergehen. Er bereute auch nicht, vorschnell von einer Aushilfe gesprochen
zu haben, denn letztlich war es egal, was er sagte, seine Mutter würde am Ende doch wieder bei seinem Aussehen und der fehlenden Frau landen. Er könnte vom Angeln erzählen, sie würde mühelos den Bogen schlagen zu seinem Aussehen, er könnte von seinem Fang am Wochenende erzählen, sie würde ohne Anstrengung die fehlende Ehefrau ins Feld führen.
»Was hast du zum Bespiel am Samstagabend gemacht, Junge? Bist du ausgegangen und hast einer Frau den Hof gemacht?«
Er verschluckte sich an einer Gabel Rotkohl, schaffte es gerade noch, ihn nicht auszuspucken, musste aber mit Wein nachspülen. Seine Mutter schüttelte angewidert den Kopf, sagte aber nichts. Wahrscheinlich dachte sie jetzt, dieses Thema sei ihm zu peinlich.
»Ich war im Kino«, log er, als er wieder sprechen konnte.
»Allein?«
Er nickte.
»Ach, Junge«, seufzte sie schwer, so als hätte er einen Mord gestanden. »Was haben wir nur falsch gemacht. Wir haben uns doch immer solche Mühe mit dir gegeben. Es kann doch nicht nur an deinem Aussehen liegen. Da muss doch noch was anderes sein!«
Wie immer hatte sie recht. Aber dazu konnte er nichts sagen. Sie würde es nicht verstehen, niemand würde das. Das war eben das Leid der Einzigartigen. Sie blieben ihr Leben lang unverstanden. Nun gut, damit konnte er sich abfinden, solange das Leben ihm die Möglichkeit beließ, seine Einzigartigkeit zu hegen und zu pflegen, sie sich frei entfalten zu lassen.
Und das tat es!
4
Hier hatte er gelauert und beobachtet, sich vielleicht sogar mächtig und unbesiegbar gefühlt, den Wald als sein Revier betrachtet. Und hatte dabei mit Sicherheit etwas von sich zurückgelassen. Das taten sie immer. Manchmal absichtlich, meistens aber unbewusst. Nicht immer war es greifbar, nicht immer konnte man es in Beweismitteltütchen stecken oder auf Wattestäbchen extrahieren.
»Rechts runter«, sagte Paul Adamek, wies mit dem Arm in die entsprechende Richtung, blieb selbst aber stehen.
Sie arbeiteten mittlerweile lange genug zusammen; er wusste, wie er sich verhalten musste. Franziska benötigte großzügigen Freiraum, wenn sie sich einem Tatort oder einem Täter mit all ihren Sinnen näherte. Einsamkeit war dazu am besten geeignet, doch die gab es nur selten. Paul hielt sich aber so weit zurück und war so leise, dass es dem schon sehr nahe kam.
Franziska wandte sich also nach rechts und ging ein Stück weit am Zaun entlang. Nach zwanzig Metern sah sie links von sich ein Stück in den Wald hinein den umgestürzten Baum, von dem Paul gesprochen hatte. Sie blieb stehen und betrachtete den Waldboden. Die Spur war nicht schwer zu entdecken. Der Täter hatte den gleichen Weg genommen wie sie. Die kürzeste und leichteste Verbindung zwischen dem Stamm und dem Loch im Zaun.
Franziska betrachtete den Stamm. Es handelte sich um eine Eiche. Allzu lange lag sie noch nicht dort, die Rinde war hart und intakt, keine Pilze daran. Einen Moment überlegte sie, setzte sich dann hin. Wahrscheinlich hatte der Täter
Faserspuren auf der Rinde hinterlassen, die die Spurensicherer finden würden. Ihre eigenen ließen sich problemlos davon trennen, so dass sie es ruhig wagen konnte, dort zu sitzen. Das war wichtig für sie. Sie musste denselben Platz einnehmen wie er.
Identische Blickwinkel.
Sie sah auf. Der Platz war perfekt gewählt. Zwischen mehreren Stämmen hindurch und an einer
Weitere Kostenlose Bücher