Blinder Instinkt - Psychothriller
erhöhten Sitzposition in dem großen X5 kaum noch hatte
sehen können. Dann waren sie ein Stück über eine Schnellstraße gefahren, auf der eine höhere Geschwindigkeit erlaubt war, und Max hatte die Kraft des Motors ausgenutzt. Bis auf einen Wagen hatte er alle überholt und sich wieder eingereiht. Zwischen ihm und dem Perversen befand sich nun ein blauer Golf.
Der feine Nieselregen hielt weiterhin an. In enervierend gleichmäßigem Tempo schoben die Scheibenwischer die Tropfen beiseite. Max hasste es, wenn die Wischer liefen, aber ohne konnte er nichts sehen. Er wurde nervös. Zwanzig Minuten folgte Max dem Kerl nun schon.
Wo wollte er hin? Baute er einfach nur seine Wut ab, indem er kreuz und quer durch die Stadt fuhr?
Die nächste große Kreuzung überquerten sie in einer Grünphase, dann bog der Seat ohne zu blinken plötzlich rechts ab. Der blaue Golf fuhr geradeaus weiter. Max blieb nichts anderes übrig, als sich direkt hinter den Seat zu klemmen. Was sollte dieses plötzliche Manöver? Hatte der Fahrer bemerkt, dass er verfolgt wurde?
Sie fuhren jetzt durch eine Tempo-30-Zone, einige Fahrbahnerhöhungen sorgten für ständiges Bremsen und Anfahren. Max gab sich Mühe, einen vernünftigen Abstand zwischen sich und dem Seat einzuhalten, doch immer wieder fuhr er viel zu nah heran. Vor seinem BMW wirkte der Leon klein und verletzlich, und es kribbelte in Max’ rechtem Fuß auf dem Gaspedal.
Plötzlich beschleunigte der Seat und fuhr mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit weiter. Max hinterher. Er musste jetzt schneller fahren, als er wollte, sonst würde der Seat ihn in dem Gewirr enger Wohnstraßen abschütteln. Einmal sah es ganz danach aus. Er verlor ihn aus dem Blickfeld,
fand ihn aber doch wieder, weil der Typ verkehrsbedingt halten musste. Hintereinander überquerten sie eine größere Hauptverkehrsader und gelangten dann in ein Wohngebiet, das aus einer beträchtlichen Anzahl mehrstöckiger Mietshäuser bestand.
Der Seat verschwand rasant auf einem Parkplatz zwischen den Häusern. Max folgte ihm. Plötzlich wurde ihm klar, dass er den Mann in diesen Wohnwaben nicht wiederfinden würde, sobald er hinter irgendeiner Haustür verschwunden war. Pro Tür gab es hier sicher zwanzig oder mehr Parteien.
In heller Aufregung zwängte Max seinen SUV in eine zu enge Lücke. Beide rechte Reifen holperten über den Bordstein, und das Auto kam halb auf einem Rasenstreifen zum Stehen.
Max sprang aus dem hohen Wagen, verriegelte ihn und lief zur Mitte des großen Platzes. Der Typ aus dem Seat ging gerade auf einen Hauseingang zu, war nur noch ein paar Meter davon entfernt. Max würde ihn nicht mehr rechtzeitig einholen. Aber er hatte Glück. Ein Postbote war gerade damit beschäftigt, Post in die Schlitze der Briefkästen zu verteilen. Dem Fahrer drückte er seine gleich in die Hand, und der verschwand damit im Haus.
Max ging auf den Postboten zu. Als er ihn fast erreicht hatte, war der gerade fertig mit dem Einstecken der Post und drehte sich um. Ihre Blicke begegneten sich.
»Das ist nicht zu fassen!«, sagte Max mit Aufregung in der Stimme, die er nicht mal vortäuschen musste. »Der Kerl fährt mir den Seitenspiegel ab und haut einfach ab! Wissen Sie, wer das ist? Der Mann, der gerade an Ihnen vorbeigegangen ist?«
Der Postbote betrachtete ihn mit irritiertem Blick. Max
ahnte, seine Chancen standen fünfzig zu fünfzig. Hatte der Postbote nur einmal zu Weihnachten oder sonst wann ein Trinkgeld von dem Fahrer bekommen, würde er Max dessen Namen nicht verraten. Hielt er ihn allerdings für ein Arschloch, sah die Sache schon anders aus.
Der Postbote zeigte mit dem Daumen hinter sich.
»In das Haus?«
»Ja, genau!«
»Das ist der Kühl, Detlef Kühl. Der fährt immer wie eine gesengte Sau, hat mich schon mal fast vom Fahrrad geholt. Dem sollte man den Führerschein lebenslang wegnehmen, wenn Sie mich fragen. Zeigen Sie den bloß an!«
»Detlef Kühl?«
»Ja. Die einzige Klingel ohne Namensschild. Soll ich die Polizei rufen? Ich hab ein Handy dabei«, bot sich der Postbote an.
Max schüttelte den Kopf. »Ich will ihn mir erst mal persönlich vorknöpfen.«
Der Postbote sah ihn an, betrachtete Max’ außergewöhnlich kräftige Statur, die auch unter Jacke und Hose auffiel. Der Postbote lächelte breit. »Verstehe! Bestellen Sie bitte von mir gleich einen schönen Gruß mit, ja? Er wohnt im achten, rechte Tür.«
»Werde ich tun. Vielen Dank.«
»Keine Ursache.« Der Postbote schob sein Fahrrad
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