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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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sind.«
    Ich schloss die Tür zur Bibliothek und erzählte ihm, was Ruffin gesagt hatte, und dem Gesicht meines Stellvertreters sah ich an, dass es der Wahrheit entsprach. Er zog einen Stuhl heran, setzte sich an einen Tisch und schlug das Buch zu. Ich setzte mich neben ihn, und wir drehten unsere Stühle so, dass wir einander ansahen.
    »Irgendetwas wurde gemurmelt von wegen, dass Wagner Sie loswerden will«, sagte er. »Ich halte es für Quatsch, und es tut mir Leid, dass Sie überhaupt davon gehört haben. Chuck ist ein Idiot.«
    Sinclair Wagner war Gesundheitsminister, und nur er oder der Gouverneur konnten den leitenden Gerichtsmediziner ernennen oder entlassen.
    »Seit wann sind diese Gerüchte im Umlauf?«, fragte ich.
    »Seit kurzem. Ein paar Wochen.«
    »Aus welchem Grund soll er mich entlassen wollen?«, fragte ich ihn.
    »Angeblich kommen Sie und er nicht miteinander aus.« »Das ist ja lächerlich!«
    »Oder er ist nicht zufrieden mit Ihnen oder so was Ähnliches, und infolgedessen ist es auch der Gouverneur nicht.«
    »Jack, bitte, drücken Sie sich etwas genauer aus.«
    Er zögerte und rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. Er blickte schuldbewusst drein, als wäre er irgendwie für meine Schwierigkeiten verantwortlich.
    »Na gut, ich will offen mit Ihnen sein, Dr. Scarpetta«, sagte er.
    »Die Gerüchte wollen es, dass Sie Wagner mit dem Chat, den Sie im Internet veranstalten, in Verlegenheit gebracht haben.«
    Ich beugte mich zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Das bin nicht ich«, schwor ich ihm. »Jemand gibt sich für mich aus.«
    Er sah mich fragend an.
    »Sie machen Witze«, sagte er.
    »Oh nein. An dieser Geschichte ist nichts witzig.«
    »Himmel«, sagte er angewidert. »Manchmal denke ich, das Internet ist das Schlimmste, was uns passieren konnte.«
    »Jack, warum haben Sie mich nicht darauf angesprochen? Wenn Sie dachten, dass ich etwas Unangemessenes tue ... Habe ich es irgendwie geschafft, mir alle Mitarbeiter zu entfremden, so dass alle meinen, sie dürften mir nichts sagen?«
    »Das ist es nicht«, sagte er. »Dieses Verhalten spiegelt nicht, dass Sie Ihren Mitarbeitern gleichgültig oder fremd geworden sind.
    Wenn überhaupt, dann liegt uns so viel an Ihnen, dass wir Sie zu sehr schützen wollen.«
    »Schützen wovor?«, wollte ich wissen.
    »Jedem sollte gestattet sein zu trauern oder es eine Weile auszusitzen«, erwiderte er ruhig. »Niemand hat erwartet, dass Sie ordnungsgemäß auf allen Zylindern laufen. Ich würde das sicher nicht.
    Himmel, ich hab es kaum durch meine Scheidung geschafft.«
    »Ich sitze es nicht aus, Jack. Und ich laufe ordnungsgemäß auf allen Zylindern. Mein persönlicher Schmerz ist mein persönlicher Schmerz, mehr nicht.«
    Er sah mich eine Weile an, hielt meinem Blick Stand und glaubte nicht, was ich gerade gesagt hatte.
    »Ich wünschte, es wäre so einfach«, sagte er.
    »Ich habe nie gesagt, dass es einfach ist. Morgens aufzustehen ist bisweilen das Schwierigste, was ich je getan habe. Aber ich kann nicht zulassen, dass meine privaten Probleme mit meiner Arbeit in Konflikt geraten, und ich lasse es nicht zu.«
    »Ehrlich gesagt, ich wusste nicht, was ich tun sollte, und deswegen komme ich mir wirklich mies vor«, gestand er ein. »Ich wusste auch nicht, wie ich seinen Tod verarbeiten sollte. Ich weiß, wie sehr Sie ihn liebten. Wieder und wieder habe ich mir überlegt, ob ich Sie zum Abendessen einladen oder Sie fragen soll, ob ich Ihnen im Haus was helfen oder reparieren kann.
    Aber ich habe meine eigenen Probleme, wie Sie wissen. Und vermutlich dachte ich, dass ich nicht mehr tun kann, als so viel wie möglich von der Last hier zu tragen.«
    »Sie haben Anrufe für mich übernommen? Wenn Angehörige mich sprechen wollten?« Endlich hatte ich es ausgesprochen.
    »Kein Problem«, sagte er. »Das war das Mindeste, was ich tun konnte.«
    »Oh Gott«, sagte ich, senkte den Kopf und fuhr mit den Fingern durch mein Haar. »Ich kann es nicht fassen.« »Ich tat nur -«
    »Jack«, unterbrach ich ihn, »Ich bin jeden Tag hier, außer ich muss aufs Gericht. Warum wurden Anrufe für mich an Sie weitergeleitet? Davon wusste ich überhaupt nichts.«
    Jetzt war es an Fielding, verwirrt dreinzublicken.
    »Ist Ihnen denn nicht klar, für wie verachtenswert ich es halte, sich zu weigern, mit verwirrten, trauernden Menschen zu sprechen?«, fuhr ich fort. »Ihre Fragen nicht zu beantworten oder gleichgültig zu erscheinen?«
    »Ich dachte nur

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