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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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ich nicht als solches erkannt hatte? Meinte sie, dass ich ihr gehörte?
    »Lucy hat vermutlich nicht angerufen?«, fragte ich, als wir die leere Marmorlobby betraten.
    »Nein«, sagte Rose. »Ich habe es mehrmals in ihrem Büro versucht.«
    »Hat sie die Blumen bekommen?«
    »Ja.«
    Der diensthabende Wachmann winkte uns zu. »Draußen ist es kalt. Wo ist Ihr Mantel?«, fragte er mich. »Ist schon in Ordnung«, sagte ich lächelnd und fuhr an Rose gewandt fort: »Wissen Sie, ob sie sie tatsächlich zu Gesicht bekommen hat?« Sie schien verwirrt.
    »Die Blumen«, sagte ich. »Wissen wir, ob Lucy sie gesehen hat?«
    »O ja«, sagte meine Sekretärin. »Ihr Supervisor sagte, dass sie da war, sie angeschaut und die Karte gelesen hat, und alle haben sie verspottet und wollten wissen, von wem die waren.«
    »Vermutlich wissen Sie nicht, ob sie sie mit nach Hause genommen hat?«
    Rose blickte mich an, als wir aus dem Gebäude auf den dunklen leeren Parkplatz traten. Sie sah alt und traurig aus, und ich wusste nicht, ob ihr wegen mir Tränen in den Augen standen oder auf Grund der kalten beißenden Luft.
    »Das weiß ich nicht«, beantwortete sie meine Frage.
    »Meine versprengten Truppen«, murmelte ich.
    Sie schlug den Kragen hoch bis zu den Ohren und zog das Kinn ein.
    »So ist es also«, sagte ich. »Als Carrie Grethen Benton ermordet hat, hat sie auch uns erledigt. Ist es nicht so, Rose?«
    »Natürlich hatte es eine entsetzliche Wirkung. Ich wusste nicht, was ich für Sie tun konnte, aber ich habe es versucht.«
    Sie sah mich kurz an, als wir vornübergebeugt durch die Kälte gingen. »Ich habe es wirklich versucht und tue es immer noch«, setzte sie hinzu.
    »Alles ist anders«, sagte ich leise. »Lucy ist wütend auf mich, und wenn sie wütend ist, tut sie immer das Gleiche. Sie schließt mich aus. Marino ist kein Detective mehr. Und heute habe ich erfahren, dass Sie meine Anrufe an Jack weitergeleitet haben, ohne mich zu fragen, Rose. Unglückliche Angehörige durften nicht mit mir sprechen. Warum haben Sie das getan?«
    Wir standen neben ihrem blauen Honda Accord. Die Schlüssel klimperten, als sie sie aus ihrer großen Handtasche holte.
    »Ist das nicht komisch«, sagte sie. »Ich habe schon befürchtet, dass Sie mich nach Ihren Terminen fragen werden. Sie lehren mehr am Institut als je zuvor, und als ich die Termine für nächsten Monat in den Kalender eintragen wollte, habe ich bemerkt, dass Sie völlig überbucht sind. Ich hätte mich früher darum kümmern und das verhindern sollen.«
    »Das ist im Augenblick meine geringste Sorge«, sagte ich und versuchte, nicht verärgert zu klingen. »Warum haben Sie das getan?«, fragte ich und meinte nicht meine Termine. »Warum haben Sie mich vor den Anrufen abgeschirmt? Sie haben mich persönlich und in meiner Berufsehre gekränkt.«
    Rose schloss die Tür auf, ließ den Motor an und schaltete die Heizung ein, damit sich der Wagen für ihre einsame Heimfahrt aufwärmte.
    »Ich habe getan, worum Sie mich gebeten haben, Dr. Scar-petta«, sagte sie schließlich, ihr Atem wie Nebel in der Luft.
    »Ich habe Sie nicht darum gebeten und würde so etwas auch nie tun«, sagte ich und traute meinen Ohren nicht. »Und das wissen Sie auch. Sie wissen, dass ich für Angehörige erreichbar sein will.«
    Natürlich wusste sie es. Während der letzten fünf Jahre hatte ich zwei Gerichtsmedizinern gekündigt, weil ihnen trauernde Angehörige gleichgültig waren und sie nicht mit ihnen sprechen wollten.
    »Meinen Segen hatten Sie nicht«, sagte Rose und klang wieder wie ihr mütterliches Selbst.
    »Wann habe ich das angeblich zu Ihnen gesagt?«
    »Sie haben es nicht gesagt. Sie haben eine E-Mail geschickt. Das war Ende August.«
    »So eine E-Mail habe ich Ihnen nie geschickt«, sagte ich. »Haben Sie sie aufgehoben?«
    »Nein«, sagte sie bedauernd. »Normalerweise hebe ich EMails nicht auf. Es gibt keinen Grund dafür. Ich bedauere, dass ich E-Mail überhaupt benutzen muss.«
    »Was stand in dieser angeblichen E-Mail von mir?«
    »Sie müssen so viele Anrufe wie möglich weiterleiten. Im Augenblick kann ich das nicht. Ich weiß, Sie verstehen. Sinngemäß.«
    »Und Sie haben sich nicht darüber gewundert?«, fragte ich ungläubig.
    »Natürlich habe ich mich gewundert«, erwiderte sie. »Ich habe Ihnen auch sofort eine E-Mail geschickt, und Sie haben geantwortet, dass ich tun soll, worum Sie mich gebeten haben, und nicht weiter darüber diskutieren.«
    »Ich habe nie eine solche E-Mail

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