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Blinder Rausch - Thriller

Blinder Rausch - Thriller

Titel: Blinder Rausch - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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über der Lehne des Korbsessels liegt. »Darf ich mir den ausleihen?« Niklas nickt und schaut Leonie hinterher, wie sie aus seinem Zimmer verschwindet.
    In seinem Kopf hämmert eine Maschinenfabrik. Brennender Durst lässt seine Kehle glühen. Er möchte nicht nachdenken und möchte nicht fragen, wie Leonie plötzlich in sein Zimmer gekommen ist. Aus seiner Sporttasche holt er eine Wasserflasche und trinkt sie mit einem Zug leer. Dann lässt er sich auf sein Bett fallen. Er lauscht dem Rauschen der Dusche, das durch die Wand zu ihm dringt und dem dumpfen Bollern des sich allmählich verziehenden Gewitters. Dabei schläft er wieder ein.
    Leonie steht nach dem Duschen mit einem Handtuchturban auf dem Kopf vor dem Badezimmerspiegel. Er ist dicht beschlagen. Sie greift ein Handtuch und wischt, bis die Umrisse ihres Gesichtes klarer werden. Sie erschrickt. Waschbäraugen starren sie aus schwarzen Höhlen an. Die zerlaufene Mascara hat sich von den Augenbrauen bis zu den Wangenknochen verteilt. Sie versucht, es durch Rubbeln mit den Handflächen wegzureiben. Erst mit Seife löst sich der dunkle Schmier auf. Jetzt blickt aus dem Spiegel ein Mädchen mit aufgequollenem Gesicht und krebsroten, tränenden Augen.
    Über die linke Wange zieht sich ein blutverkrusteter Kratzer. Den hatte sie noch gar nicht bemerkt. Doch wegen der Seife brennt er jetzt höllisch. Auch an den Armen und den Fersen brennt die Haut. Leonie hält die Ellenbogen in Richtung Spiegel und erkennt, dass beide aufgeschürft und mit dünnem, krustigem Grind bedeckt sind. »Was ist bloß mit mir passiert?«, flüstert sie. Sie kann sich an nichts erinnern, nur an die letzten Bilder der Party und das Aufwachen im Park. Eben unter der Dusche hat sie an sich weitere Blessuren entdeckt. Es sind dunkle Flecken an der Innenseite der Oberschenkel und auf beiden Oberarmen. Sie ließen sich nicht abwaschen. Dann bemerkte sie, dass es tiefe Blutergüsse waren, aufgereiht wie Fingerabdrücke.
    Hatte jemand sie gewaltsam festgehalten? Sie greift sich zwischen die Beine. Am Ende hatte einer sie …? Leonie schluckt. Die Tränen rinnen ihr aus den Augen, jetzt nicht mehr nur wegen der Seife. Woran könnte sie das bemerken? Hatte man dann Schmerzen oder nur in dem Moment, in dem das geschieht? Sie weiß es nicht. Sie weiß nur, dass es niemanden gibt, den sie danach fragen könnte. Niemanden! Noch nicht einmal Hanni.
    Der Spiegel beschlägt sich wieder. Leonie ist froh, keine Einzelheiten mehr erkennen zu müssen. Sie atmet bebend ein und sieht an ihren zitternden Beinen hinunter zum weißen Fliesenboden des Badezimmers. Dort in der Nässe vor der Wanne ringeln sich kreuz und quer die abgelegten Kleider. Aus dem T-Shirt lösen sich rote Schlieren und verteilen sich in die Wasserpfütze. Schnell greift sie nach dem Shirt und versucht, es im Waschbecken unter fließendem Wasser auszuwaschen, sofort lösen sich aus den braunen Verklebungen rote Rinnsale. Das ist keine Farbe. Es ist Blut! Es riecht nach Blut. Mein Blut? Bin ich so schwer verletzt worden? Sie reißt panisch einige Kosmetiktücher aus dem Spender und wischt sich zwischen den Beinen. Sie bleiben weiß. Hören solche Blutungen spurenlos auf? Gibt es das? Auf jeden Fall gibt es niemanden, den sie danach fragen kann. Sie betastet ihren Bauch. Jetzt spürt sie einen dumpfen Schmerz. Also doch. Oder? Für einen Augenblick sinkt sie auf dem geschlossenen Klodeckel nieder und starrt vor sich hin. Ihr ist klar, dass sie es nie herausfinden wird. Vielleicht ist es wirklich besser, alles so schnell wie möglich zu vergessen, wegzuschließen, ganz tief in ihrem Innern und nie wieder herauszulassen. Nie wieder.
    Mechanisch kommt jetzt Bewegung in sie. Sie räumt alle Kleider zusammen, wischt mit dem Rock den Boden auf. Einen Moment zögert sie, als sie das T-Shirt noch einmal betrachtet. Wem gehört es? Und wessen Blut hat es getränkt? Sie weiß es nicht. Angestrengt versucht sie nachzudenken, aber es fällt ihr nicht ein, ob ein Mädchen auf Frederiks Party ein solches Shirt getragen hat. Sie stopft alle Kleider in den Plastikbeutel. Auch die Schuhe. Sie will nichts mehr davon sehen. Sie will an nichts mehr erinnert werden, deshalb soll das alles weg. Sie verschließt die Tüte, indem sie ein Haargummi mehrfach darumwickelt. Dann duscht sie noch einmal, lange und ausgiebig, als wollte sie jede Minute der letzten zwölf Stunden einzeln auflösen.
    Sie trocknet sich ab, was in dem völlig verdampften Badezimmer kaum noch

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