Blinder Rausch - Thriller
party?
War gar nicht da, hatte es mir anders überlegt. Schlechtes gewissen. Bin heim.
Brav. CU
Am Sonntag war sie lange im Bett geblieben, weil sie in der Nacht mehrfach von schrecklichen Träumen aus dem Schlaf gerissen worden war und stundenlang wach gelegen hatte. Immer wieder hatte das Bild des T-Shirts mit dem blutverkrusteten Glitzerschmetterling vor ihren Augen gestanden. Immer sah sie, wie sich in nicht enden wollenden Bächen das Blut daraus ergoss. Gegen Mittag war Mama in ihr Zimmer gekommen. »Bist du wach?« »Hhm.« »Da ist eine Frau Weisel am Telefon. Sie ist die Mutter von Denise aus deiner Klasse. Denise sei gestern nicht nach Hause gekommen. Weißt du, wo sie ist?« »Hhm, keine Ahnung. Bin nicht mit ihr befreundet.« »Sie macht sich Sorgen und ruft überall an, komm, sprich mal mit ihr, vielleicht weißt du ja doch etwas.« Die Mutter reichte ihr das Mobilteil.
»Ja?«
»Wer sprichda?« Leonie brauchte eine Weile, bis sie die Frage entschlüsselt hatte. »Leonie. Aber ich weiß nicht, wo Denise ist.«
»Kennzu Merve, da wollt sie nämich übers Wochenenne hin, aber die sagt, dassie da garnich wah.«
»Merve ist Denises Freundin. Aber ich kann Ihnen wirklich nicht helfen, ich treffe mich nie mit Denise.«
»Also doch, du triffsich mit ihr.«
»Nein, das haben Sie falsch verstanden. Ich weiß nicht, wo sie ist. Auf Wiederhören!« Leonie drückte schnell die rote Taste und gab ihrer Mutter das Telefon zurück. Die Mutter runzelte die Stirn und sah Leonie fragend an.
»Ich weiß wirklich nicht, wo Denise ist. Warum redet die Frau so komisch?«
»Alkohol, vermutlich. Arme Frau. Armes Mädchen. Wer weiß, wo sie sich jetzt herumdrückt«, kommentierte ihre Mutter und verließ wieder das Zimmer.
Irgendwann am Sonntagabend hatte sich Leonie zum ersten Mal wieder ins Internet gewagt.
Es gab keine Nachrichten von Frederik. Es gab belanglose Kommentare zu Frederiks Party.
Dann eine Meldung von Merve: Hey, Denises mutter macht alle leute verrückt, weil Denise nicht nach hause gekommen ist. Weiß jemand was?
Jens schrieb: Das ist doch nichts neues bei der.
Einer namens Sniffer schrieb: Fragt doch mal den obercoolen Frederik, zu dem wollte sie doch auf die party. Vielleicht feiert sie ja noch mit ihm.
Marcel schreibt: Erzähl keinen scheiß. Sie war nicht bei Fred.
Oliver schrieb: I ch hab gesehen, wie sie am samstagabend mit dem Mettner abgeschoben ist.
Leonie schrieb: Oli, erzähl keine märchen! Du siehst Denise sowieso überall!
Beinahe hätte Leonie die Haltestelle an der Schule verpasst. Schnell springt sie aus dem Bus. Nur wenige Schüler befinden sich auf dem Hof. Sie stehen in kleinen Gruppen. Leonie möchte allein sein und stellt sich abseits hinter einen Baum. Von dort kann sie sehen, wie die anderen allmählich eintreffen. Niklas und Sercan kommen angeradelt und schieben ihre Räder zum hinteren Hof mit den Fahrradständern. Um Oliver herum stehen einige Schüler aus Leonies Klasse. Zu denen gesellt sich Hanna und schaut sich suchend um. Leonie gleitet hinter den dicken Stamm. Von hier aus hat sie auch die Bushaltestelle im Visier. Der Bus spuckt so kurz vor Schulbeginn eine große Menge Schüler aus.
Leonie atmet tief durch. Sie hat ihn entdeckt. Er läuft neben Jens und Marcel. Er hat seine schmale Schultasche unter dem Arm. Der Mantel ist geöffnet und umweht ihn lässig. Er unterhält sich mit seinen Begleitern, hebt hier und da grüßend die Hand zu anderen. Da gibt es eine Menge, bei denen er gut ankommt. Leonie beißt sich auf die Lippen. Und bei ihr? Wie ist das bei ihr? Das Kribbeln im Bauch kommt jedenfalls nicht mehr. Auch nicht dieses Gefühl wohliger Erwartung, ob er sie gleich sieht, ob er mit ihr redet. Alles das ist weg. Oder nur betäubt? Sie weiß es nicht. Alles ist plötzlich so farblos und nüchtern.
Die ersten Stunden des Schulvormittags fließen wie immer träge vor sich hin. Das ist ein Gleichmaß, das Leonie heute guttut, weil es sie ganz langsam wieder zur Ruhe kommen lässt. Hanna hat sich damit zufriedengegeben, dass für Leonie das Thema Frederik zurzeit erledigt ist. Sie erzählt von einem Film, den sie gestern im Kino gesehen hat. »Du warst allein im Kino?« fragt Leonie »Nein, nicht allein.« »Mit deinen Eltern?« »Nein, mit Sercan. Er hatte mich gestern angerufen und gefragt, ob ich mit will.« »Sercan? Ui!«, mehr kommentiert Leonie zu Hannas Erstaunen nicht. Und Hanna erzählt nichts weiter. Leonie starrt immer wieder auf den leeren
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