Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
dich verloren hatte. Außerdem ist Nikotin nicht so gefährlich wie Alkohol oder Koks. Nach einem halben Jahr dieser selbst auferlegten Hölle habe ich angefangen, mich wie ein Verrückter durch die Betten zu vögeln. Ich hatte die Selbstmitleidsphase hinter mir und bin in die nächste übergegangen, die Ich-werde-es-ihr-schon-zeigen-Phase. Monatelang habe ich alles flachgelegt, was mir in die Quere kam, und am Ende hatte ich mir nur eines bewiesen: Wie sehr ich deine Mutter geliebt habe. Eines Morgens bin ich aufgewacht und wusste, dass ich sie nie zurückgewinnen würde, wenn ich so weitermachte, also habe ich die Notbremse gezogen. Ich habe einen radikalen Schlussstrich gezogen und mich stattdessen darauf konzentriert, meinen Job zu retten, der zu dieser Zeit ziemlich auf der Kippe stand. Die Zigaretten sind geblieben, aber in puncto Frauen habe ich mich auf kalten Entzug gesetzt. Ich habe wie ein Mönch gelebt.« Er hielt inne. Ein Ausdruck tiefer Bekümmerung grub sich in seine zerfurchten Züge.
»Aber es hat nicht angehalten?«, fragte Berry leise.
»Nur bis zu dem Tag, als das mit Carolines Hochzeit mit Jim Malone bekannt wurde.«
»Du hast in der Zeitung davon gelesen?«
»Ja. Es hat mich wie ein Blitzschlag getroffen. Das beweist wieder mal, wie grausam das Schicksal sein kann. Ich hatte noch nicht mal gewusst, dass sie mit ihm zusammen war. Privat, meine ich. Und dann stand es da – schwarz auf weiß. Sie würde ihn heiraten.«
Seine erstickte Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es ihn auch heute noch, nach all den Jahren, schmerzte.
Einen Augenblick lang saß er da und starrte ins Leere. »Über unsere Anwälte wurde vereinbart, dass Malone dich adoptiert und du seinen Nachnamen annimmst«, fuhr er fort. »Ich habe mich nicht dagegen gewehrt, weil ich sowieso nicht hätte mithalten können. Du würdest einen neuen Daddy bekommen, der ein anständiger Kerl zu sein schien. Bei ihm würdest du ein angenehmes Leben führen, das ich dir nicht mal ansatzweise hätte bieten können.« Er hielt inne. »Ich bin weggegangen und nie wieder zurückgekommen.«
Nach einer Weile richtete er den Blick wieder auf sie. »Das war’s, Berry. Unter einer netten Gutenachtgeschichte, die ein Daddy abends seiner Tochter erzählt, stellt man sich etwas anderes vor, was? Ein Märchen ist es jedenfalls nicht gerade.«
»Es ist eine sehr traurige Geschichte. Zumindest für dich.«
»Ich habe sie nicht erzählt, um dein Mitleid zu erregen oder um mich als tragischen Helden darzustellen, der vergangenen Zeiten hinterhertrauert. Ich habe schwere Fehler gemacht und dafür bezahlt. Ich habe es dir nur erzählt, damit du vielleicht daraus lernst und dir nicht dasselbe passiert. Mehr kann ich nicht für dich tun, auch wenn ich es weiß Gott gern getan hätte.«
Sie sahen einander an. In diesem Moment läutete Dodges Handy. Er sah aufs Display. »Es ist Caroline.« Er hob ab und lauschte. »Okay, wir sind gleich da«, sagte er.
Er legte auf und erzählte Berry, Caroline und Ski seien inzwischen fertig. »Dieser Schwachkopf von Mercury hat seinen Scheck bekommen. Allerdings muss Ski noch bleiben, weil alle etwas von ihm wollen. Sie hat gefragt, ob wir sie abholen könnten.«
Berry nahm ihre Tasche und rutschte von der Bank. »Du kannst mich im Krankenhaus absetzen.«
»Irrtum. Ich fahre dich nach Hause. Keine Widerrede«, erklärte er streng, noch bevor sie protestieren konnte. »Ob es dir nun gefällt oder nicht, ich bin dein Vater, und ich sage dir, dass du jetzt nach Hause gehen und dich eine Weile ausruhen wirst.«
Auf dem Weg zu Carolines Haus beobachtete Dodge seine Tochter im Rückspiegel, die wortlos und mit ausdrucksloser Miene aus dem Fenster in die nächtliche Dunkelheit starrte. Er hätte einen Tausender darum gegeben, zu erfahren, wo sie mit ihren Gedanken war. Bei ihm? Bei Starks? Bei ihrem Job, den sie verloren hatte? Vielleicht dachte sie ja auch an Ski. Wer wusste es schon, verdammt noch mal?
Was auch immer sie quälen mochte, er wollte ihr unbedingt helfen. Allerdings war es ziemlich schwierig, den Vater zu mimen, wenn das eigene Kind längst erwachsen war. Im Gegenteil – das machte es vielleicht sogar noch schwieriger. Er hatte ihr verboten, am Bett eines Verbrechers zu wachen, der bereits hirntot war. Doch abgesehen davon wusste er nicht weiter. Alles, was ihm einfiel, klang dumm, banal oder überflüssig oder wie eine Mischung aus allem, also hielt er lieber den Mund. Und Caroline erging es
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