Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
lächelte und beugte sich vor, um die Spitze in die Flamme zu halten. Während Dodge sich ebenfalls eine anzündete, nahm sie ein paar Züge und ließ den Rauch entweichen. »Wie weit ist es gekommen, wenn man in einer Bar nicht einmal mehr rauchen darf«, bemerkte sie.
Dodge seufzte. »Das können Sie laut sagen.«
Er hatte mit ihr geflirtet, während er ein Bier getrunken hatte – ganz langsam, um den Laden und die Gäste, die sich zur Happy Hour eingefunden hatten, in aller Ruhe in Augenschein zu nehmen –, und war zu dem Schluss gelangt, dass seine Chancen auf Erfolg bei der Frau hinter dem Tresen wohl am besten standen.
Sie war in den Vierzigern und sah keinen Tag jünger aus. Ihr Gesicht spiegelte harte Zeiten und bittere Enttäuschungen wider, und in ihren Augen lag ein Ausdruck trauriger Resignation. Doch ihr Lächeln, mit dem sie keineswegs sparsam umging, besaß eine aufrichtige Wärme. Sämtliche hereinkommende Gäste, egal ob weiblich oder männlich, sprach sie mit ihrem Namen an. Und sie kannte nicht nur ihre Lieblingsdrinks, sondern wusste auch sonst so einiges über sie. Er hörte, wie sie sich nach dem neuen Job, dem jüngsten Angelausflug, nach betagten Eltern, nach krisengebeutelten Kindern und einem lahmenden Pferde erkundigte.
Als sie die Bar an einen jüngeren Mann übergab, um Zigarettenpause zu machen, folgte Dodge ihr an den Toiletten vorbei und einen schmalen Korridor entlang durch die Hintertür nach draußen.
Nun stand sie neben ihm, hob ihr Haar im Nacken an und hielt es einen Moment lang hoch – eine provokante Geste und eine unübersehbare Einladung an Dodge, den Anblick zu genießen, der gar nicht mal so übel war.
»Ich bin Grace.«
»Dodge.«
»Hi, Dodge.«
»Hi, Grace.«
Sie lächelten einander an. Schließlich ließ sie den Arm sinken, worauf ihr das Haar wieder über die Schultern fiel. »Wenn Sie in Merritt wohnen würden, hätte ich das bestimmt schon mitbekommen.«
»Atlanta.«
»Atlanta, Texas?«
»Nein. Atlanta, Georgia.«
»Ohne Scheiß? Ziemlich weit weg von zu Hause. Und was machen Sie so?«
»Ein bisschen dies, ein bisschen das.«
Sie lächelte vielsagend. »Ein Mann voller Geheimnisse.«
»Ich? Ach wo, nie im Leben, Ma’am.«
Sie lachte. »Und was führt Sie hierher, in den Südosten von Texas?«
Er tischte ihr irgendeine Geschichte auf, er wolle sich vielleicht in Houston niederlassen. »Mein Bruder will unbedingt, dass ich in sein Geschäft einsteige. Es wäre eine gute Gelegenheit, außerdem hält mich nichts in Atlanta, deshalb denke ich ernsthaft darüber nach. Aber ein Leben ausschließlich in der Großstadt, das ertrage ich nicht – und meinen Bruder schon gar nicht. Falls ich also tatsächlich umziehen sollte, brauche ich irgendetwas Ruhiges. Etwas, wohin ich mich zurückziehen kann. Nichts Großartiges. Nur ein hübsches Häuschen fürs Wochenende, um ein bisschen zu angeln und die Natur zu genießen.« Er zauberte ein Lächeln auf seine Züge, das problemlos Eis zum Schmelzen gebracht hätte. »Und diese Stadt hier macht mir den Eindruck, als wäre sie ideal, um ein bisschen runterzukommen.«
»Tja, das ist sie allerdings. An den Wochenenden verdreifacht sich die Bevölkerung von Merritt, vor allem während der Frühlings- und Sommermonate.«
»Und wie sieht der Markt für Immobilien als Zweitwohnsitz aus? Besser für Verkäufer oder für Käufer?«
»Tja, wenn ich das wüsste.« Sie stieß ein kehliges Raucherlachen aus, ließ ihre Zigarette auf den Asphalt fallen und drückte den Stummel mit der Schuhspitze aus. »Ich kann mir nicht mal ein Haus als ersten Wohnsitz leisten, geschweige denn als zweiten.«
»Ich habe eine ganze Menge Maklerschilder gesehen. Grün. Mit einer Krone drauf.«
»Caroline King. Sie ist eine ganz große Nummer im Immobiliengeschäft hier.«
Er gab ihr ein weiteres Mal Feuer. »Große Nummern sind leider ein paar Nummern zu groß für meinen Geldbeutel.«
Sie ließ den Rauch entweichen und schüttelte den Kopf. »Nein, sie hat alles, teure Häuser, billige Häuser, völlig egal. Außerdem ist sie nett.«
»Haben Sie schon mal Geschäfte mit ihr gemacht?«
»Dafür müsste ich schon im Lotto gewinnen.« Sie lachte schallend. »Aber ich habe mich mit ihr unterhalten. Sie kommt ab und zu in die Bar. Manchmal mit Kunden, um mit ihnen bei einem Glas Wein den Vertrag zu besprechen. Vor ein paar Wochen hatte sie eine junge Frau dabei. Ihre Tochter, sagte sie. Ich hatte schon gehört, dass die Tochter während
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