Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
des Sommers bei ihr ist, sie aber noch nie vorher gesehen. Ms Kings Haus ist draußen am See. Gestern Abend muss es irgendwelchen Ärger gegeben haben.«
»Ärger?«
»Eine Schießerei.«
Er tat so, als hätte er sich am Rauch verschluckt. »Eine Schießerei ?«
»Ja, ein Kollege der Tochter. Irgendeine Dreiecksgeschichte, nach allem, was die Leute so erzählen.«
»Wow. Und ich dachte, das hier sei ein verschlafenes Nest.«
»Auch wir haben unsere Skandale, das können Sie mir gern glauben«, sagte sie und verdrehte die Augen. »Aber als ich das von Ms King gehört habe, war ich echt von den Socken. Sie ist gar nicht der Typ für so was, genauso wenig wie ihre Tochter.«
»Was für einen Typ meinen Sie?«
»Na ja, der Typ Frau, der leicht mal Ärger mit Männern kriegt. Aber das beweist wohl nur wieder mal, dass man nicht weiß, was sich hinter verschlossenen Türen so abspielt.«
»Tja, bestimmt hat diese Maklerin im Augenblick andere Sorgen, als sich um einen neuen Kunden zu kümmern, wo ihre Kleine so in der Klemme steckt.«
»Keine Ahnung. Versuchen Sie’s doch einfach. Ms King ist eine knallharte Geschäftsfrau, die sich in Houston eine goldene Nase mit dem Verkauf von noblen Häusern verdient hat. Sie ist nach Merritt gezogen, um sich hier zur Ruhe zu setzen.«
»Wann war das?«
»Vor ein paar Jahren, zwei oder drei vielleicht.«
»Aber der Ruhestand war wohl nicht das Richtige für sie?«
Sie lachte. »Anscheinend nicht. Kaum war sie hier, hat sie sich mit einem Bauprojektentwickler zusammengetan und …«
»Zusammengetan?« Er hob vielsagend die Brauen. »Höre ich da etwas heraus?«
Lachend legte Grace ihm die Hand auf den Arm und stieß ihn an, wobei sein Ellbogen ihre vollen Brüste streifte. »Ach wo. Ms King ist mindestens zwanzig Jahre älter als er.«
»Aber das ist doch jetzt modern, oder nicht? Reifere Frau, jüngerer Mann.«
»Kann sein, aber er hat eine bildschöne Frau und drei reizende Kinder. Seine Partnerschaft mit Ms King war rein geschäftlich. Er hat sie als Exklusivmaklerin für seine Objekte engagiert, und sie hat sie alle in Rekordzeit verkauft.« Grace zuckte mit den Schultern und drückte ihre Zigarette erneut mit der Schuhspitze aus. »Sie hat wohl gemerkt, dass sie nicht bereit war für den Ruhestand. Zumindest noch nicht. Bei all den Projekten, die hier aus dem Boden geschossen sind, ist sie sogar noch reicher geworden.«
»Tja, dann muss sie wohl ziemlich Köpfchen haben.«
Grace nickte. »Allerdings. Und sie setzt es auch ein. Die Frau hat meinen allergrößten Respekt, und nicht nur meinen. Ich habe zumindest noch keinen etwas Schlechtes über sie sagen hören, obwohl sich die Leute nach dem, was gestern Abend da draußen passiert ist, natürlich das Maul zerreißen werden.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Meine Güte, die werden da drin schon glauben, Sie hätten mich entführt.« Ein leiser Hoffnungsschimmer lag in dem Lächeln, das sie ihm über die Schulter zuwarf, als sie wieder hineinging.
Dodge nahm einen letzten Zug, drückte den Stummel auf dem Asphalt aus und folgte ihr nach drinnen. Sie hatte ihm unwissentlich so viele Informationen geliefert, dass er sich verpflichtet fühlte, noch ein Bier bei ihr zu bestellen. Doch noch bevor die Flasche leer war, bedeutete er ihr, dass er zahlen wolle.
»Wie lange werden Sie in der Stadt sein, Dodge?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete er wahrheitsgetreu.
»Schauen Sie doch mal wieder rein.«
»Mach ich.«
»Haben Sie eine Frau?«
»Gerade nicht.«
Sie lachte. »Lügen Sie?«
»Nein.«
Sie schob eine weiße Visitenkarte über den Tresen. »Sollten Sie irgendetwas brauchen, solange Sie hier sind – eine Wegbeschreibung, Restauranttipps oder ein Plätzchen, wo Sie rauchen dürfen –, rufen Sie mich an.«
Dodge hatte seinen Wagen auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz im Schatten eines Baums an der Bowie Street abgestellt. Das schien geholfen zu haben. Trotzdem fühlte sich das Innere des Wagens immer noch wie ein Backofen an.
Er startete den Motor, um die Klimaanlage anwerfen zu können, zündete sich eine Zigarette an und zog ein zierliches rosafarbenes Handy aus seiner Jackentasche: Amanda Loflands Telefon, das sie während ihres Gesprächs im Krankenhaus nachlässigerweise auf dem Tisch hatte liegen lassen. Er hatte es an sich genommen, während sie ihre tränenfeuchten Augen mit einem Kleenex trocken getupft hatte.
Üblicherweise folgte ein Ermittler bei seiner Arbeit immer zuerst der
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