Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
auf den hinterhältigen Mörder zu machen, untergrub man das Selbstvertrauen jedes Einzelnen und die Moral der gesamten Mannschaft. Das einst dicht gewobene Netz ihrer Kameradschaft begann sich aufzulösen. Ihre Kritik aneinander wurde immer ätzender und verbitterter, was in Zerwürfnissen zwischen einzelnen Männern, zwischen Cliquen und zwischen Vorgesetzten und Untergebenen gipfelte.
Zwar hatten alle nach wie vor das Bestreben, den Übeltäter im Zuge eines möglichst spektakulären Polizeimanövers zu schnappen, was alle ihre Kritiker zu Kreuze kriechen lassen würde, doch zur selben Zeit verfolgte jeder der Männer seine eigenen Ziele – eigennützige Motive wie der Entschluss, sich in den Vordergrund zu drängen und zu brillieren. Doch egal, welche Absichten jeder Einzelne hegte, eine Niederlage war von vornherein ausgeschlossen, was dafür sorgte, dass die Egos der Männer unweigerlich aufeinanderprallten.
Irgendwann wurde die Anspannung während ihrer Einsatzbesprechungen so unerträglich, dass Dodge sich regelrecht auf seine Schichten in der Reifenfabrik freute. Auf diese Weise blieb er wenigstens für ein paar Stunden von den ständigen Boshaftigkeiten und Kabbeleien verschont. Und solange er die Mülleimer auf dem Fabrikgelände in halbwegs vertretbaren Zeiträumen leerte, hatte er seine Ruhe.
Trotzdem musste er nach wie vor an den Briefings teilnehmen, die sich mittlerweile zu regelrechten Schreiduellen entwickelt hatten. Erst vor wenigen Tagen hatte ihn der Captain – der selbst gerade von seinen Vorgesetzten einen anständigen Tritt in den fetten Arsch bekommen hatte – mit dunkelrot verfärbtem, wutverzerrtem Gesicht daran erinnert, weshalb man ihn zum Hausmeisterdienst abkommandiert hatte.
Er hatte getobt, gebrüllt, geschlagene fünf Minuten mit der Faust auf den Tisch eingedroschen und Dodge seine Unfähigkeit, sich endlich an Franklin Albrights Freundin Crystal heranzumachen, um die Ohren gehauen. »Und jetzt schaffen Sie gefälligst Ihren Hintern in diese Scheißfabrik zurück. Gehen Sie der Alten auf den Sack oder an die Wäsche, völlig egal. Nur tun Sie endlich was, damit wir diesen Drecksack festnageln oder ihn von der Liste der Verdächtigen streichen können«, hatte er ihn am Ende seiner Tirade angeschnauzt.
Danach hatte Dodge seine Bemühungen, eine Beziehung zu Crystal aufzubauen, verdoppelt. Stück für Stück hatte er erste Erfolge erzielt, winzige Etappensiege, über die er seinem Vorgesetzten berichten konnte:
»Gestern war ich im Lohnbüro und habe so getan, als hätte ich eine Frage zu meiner Lohnsteuer. Crystal und ich hatten davor schon ein paarmal Blickkontakt, aber jetzt haben wir geplaudert, und sie weiß, wie ich heiße.«
Oder:
»Ich sehe zu, dass ich immer zur selben Zeit Mittagspause mache wie sie. Am Montag hatte sie gerade kein Kleingeld zur Hand, also habe ich angeboten, ihr ein Päckchen Chips aus dem Automaten zu spendieren, und nach einigem Hin und Her und Wimperngeklimpere hat sie Ja gesagt. Am Dienstag hat sie mir das Geld zurückgegeben. Nein, ich habe nicht versucht, bei ihr zu landen«, sagte er und warf dem Kollegen, der die Frage gestellt hatte, einen vernichtenden Blick zu. »Ich will nicht wie ein Schleimer dastehen und riskieren, dass der Schuss nach hinten losgeht. Heilige Scheiße, was für eine Schwachsinnsfrage. Aber das erklärt zumindest, wieso du es nie schaffst, ein Date mit einer Frau zu kriegen.«
Oder:
»Als Crystal heute Nachmittag in die Kaffeepause gegangen ist, habe ich vor der Damentoilette an irgendeinem Kabel herumgefummelt. Als sie herauskam, ist sie kurz stehen geblieben, um ein paar Worte mit mir zu wechseln. Sie wollte wissen, ob mir mit meiner Lohnabrechnung inzwischen alles klar sei oder ob ich noch Fragen hätte. Wenn ja, sollte ich einfach zu ihr kommen, und sie würde mir alles erklären. Was ich als Einladung genommen habe. Morgen werde ich mal bei ihr vorbeisehen.«
Und:
»Crystals Freundin, mit der sie normalerweise zu Mittag isst, hat gekündigt, weil sie ein Kind bekommt. Also habe ich mich auf den freien Platz an ihrem Tisch gesetzt, und Crystal hatte nichts dagegen. Ich habe versucht, das Gespräch auf persönlichere Themen zu lenken, indem ich die Schwangerschaft ihrer Freundin vorgeschoben habe. Ich habe sie gefragt, ob sie selbst auch Kinder hätte, worauf sie meinte, nein, aber sie wünsche sich eines Tages welche. Allerdings müsste sie vorher erst heiraten, was wohl nicht so bald der Fall sein würde.
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