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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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Akten schreddern. Also haben sie den Inhalt der Aktenmappe vernichtet, aber sie haben die leere Mappe aufbewahrt. Wenn derjenige dann jemals wieder ins Fadenkreuz geriet, war es ein Signal für die Ermittler, den Hintergrund desjenigen genauer zu betrachten. Jetzt hat sich das alles erledigt, seit alles im Computer ist.«
    »Okay, ja, ja, das verstehe ich. So weiß man, dass derjenige irgendwann mal aktenkundig geworden ist.« Cody Floss runzelte weiterhin die Stirn. »Aber, meine Güte, ist das nicht gegen den Sinn des Gesetzes? Den Ordner absichtlich zurückzulassen?«
    Gooch langte hinüber in die Tüte, die der Junge auf dem Schoß hielt, und zog ein Sandwich heraus.
    »Äh, Sir? Das ist Sergeant Evans Sandwich.« Gooch nahm einen großen Bissen. »Mmm!«, sagte er.
    »Sir, Sie sollten vielleicht nicht …«
    »Wie lange bist du schon Detective?«
    »Äh … ungefähr sechs Monate?«
    »Und sie schicken dich jeden Tag Essen holen?«
    Der Junge nickte. »Eigentlich schon, ja.«
    Gooch schaute ihn an.
    »Was?«
    Erbärmlich.
    Am ersten Tag, den Gooch bei der Mordkommission verbrachte, war dieser mürrische alte Kerl namens Ronnie Birdsong zu ihm gekommen und hatte Gooch gesagt, er solle losziehen und ihm Mittagessen vom Majestik holen. Hühnchen, Kartoffelbrei mit Sauce (aber nur, wenn die Sauce nicht zu flüssig war), gemischtes Gemüse, aber nichts Scharfes, außerdem noch dies und eine Menge das und noch was anderes in einem Extraschächtelchen – der alte Birdsong hatte eine ganze Weile gebraucht.
    Zwei Minuten später hatten sich alle anderen Kollegen um Gooch’ Schreibtisch versammelt und bestellten bei ihm ebenfalls ihr Essen. Gooch hatte alle Wünsche ganz genau aufgeschrieben, genickt und sehr ernsthaft getan. Aber dann war er, statt zum Majestik zu gehen, einfach zum Varsity runtermarschiert, einem Hot-Dog-Schuppen neben der Tech. Er hatte acht Cola gekauft, achtmal kleine Pommes, und acht nackte Hot-Dogs – kein Ketchup, keine sauren Gurken, kein Käse, kein Chili, gar nichts. Jedes in einer eigenen Tüte. Und dann hatte er das alles zurückgeschleppt und ausgeteilt. Er lächelte und war super freundlich.
    Als die Kollegen ihre Tüten öffneten, lärmten sie und beschwerten sich, dass sie gar nicht gekriegt hatten, was sie bestellt hatten.
    Gooch hatte sich im Raum umgesehen und gesagt: »Wenn ihr das nächste Mal was geliefert haben wollt, ruft bei Domino’s an.« Danach hatten sie diesen Scheiß nicht mehr mit ihm abgezogen.
    »Was?«, fragte Cody Floss noch einmal.
    »Hast du Pommes da drin?«, fragte Gooch.
    »Äh … Sir, darf ich fragen, wohin wir fahren?«
    »Fergus hatte eine Jugendstrafe? Also müssen wir mit Leuten reden, die ihn als Teenager kannten.«
    »Das kann ich nachvollziehen.«
    »Und wo wäre das, Junge?«
    »Äh …«
    Gooch wirbelte den Wagen durch ein Tor in ein bewaldetes Gelände. Nach einer kurzen Fahrt erreichten sie eine weite Rasenfläche. Mitten darauf stand ein großes Ziegelgebäude, das aussah, als wäre es das Irrenhaus aus irgendeinem Horrorfilm. Ein großes Schild auf der Vorderseite enthüllte es als OAKDALE SCHOOL FOR THE BLIND.
    »Oh«, sagte Cody Floss. »Okay. Die Oakdale Blindenschule.«
    »Volltreffer«, sagte Goch. »Irgendwann wirst du bestimmt mal Detective.«
    Die Direktorin der Oakdale School, Dr. Sylvia Ammerman, war eine der Frauen, die eine große Sache daraus machten, wie sehr sie sich um die Menschen kümmerte, sie betonte das dermaßen, dass ganz offensichtlich war, wie sehr sie eigentlich alle Erdenbewohner hasste. Ein zartes Stimmchen mit einem Hauch Herablassung, graues Haar, das sie zurückgebunden hatte, und große braune Augen mit einem Das-bedeutet-mir-wirklich-sehr-viel-Ausdruck. Man wollte ihr sofort eine reinhauen.
    »Gooch, APD«, sagte er und schüttelte ihre Hand. Die Wahrheit steckte in ihrem Griff; sie war zäh wie Schuhleder und wahrscheinlich fies wie eine Schlange, wenn man erst mal an all der »Betroffenheit« vorbei war.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Waren Sie schon Ende der Siebziger hier?« Sie legte den Kopf ein wenig zur Seite und bedachte ihn mit einem kleinen Gandhi-Lächeln. »Ich will Sie nicht aufhalten, Officer Gooch, aber ich wüsste schon gern, warum Sie eigentlich hier sind, bevor ich das beantworten kann.«
    Officer Gooch. Wie reizend. Sie gab ihm gleich eines auf den Deckel, als wüsste sie nichts von dem Unterschied zwischen einem Officer und einem Detective. Gooch warf Cody Floss einen Blick zu. »Können

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