Blindes Vertrauen
erfahrene Stratege. Er begutachtete jede Situation aus jedem nur möglichen Blickwinkel und fand unweigerlich die beste Lösung. Gemeinsam hätten sie das mächtigste Trio der Welt sein können.
Wenn Gray bloà nicht auf Vanessa scharf gewesen wäre und sich ein Gewissen zugelegt hätte.
»Verdammter Idiot«, murmelte Merritt, während er von der gepolsterten Liegebank glitt und nach einem Handtuch griff. Als er sich Gesicht und Nacken abwischte, klopfte jemand an. »Herein!«
Ein Secret-Service-Agent öffnete die Tür. Neben ihm stand Gray Bondurant.
»Mr. President«, sagte der Agent lächelnd, »ich habe eine Ãberraschung für Sie.«
Merritt setzte ein breites Grinsen auf, das ihm wie ein Rià vorkam, der durch eine Betonplatte ging. »Gray! Mein Gott, Mann, ist das âne Ãberraschung!«
Auch Gray lächelte, aber sein Blick wurde dadurch wie üblich keineswegs wärmer. »Ich bin einfach vorbeigekommen,
weil ich gehofft habe, du hättest einen Augenblick Zeit für mich.« Er musterte Merritt anerkennend. »Die Nation kann beruhigt schlafen. Du siehst fit genug aus, um mit allen inneren und äuÃeren Feinden allein fertig zu werden.«
Sie schüttelten sich die Hand und klopften sich gegenseitig auf den Rücken, als wären sie immer noch die besten Freunde. Der Secret-Service-Agent hatte keine Ursache, an der Herzlichkeit ihrer BegrüÃung zu zweifeln. Alle Gerüchte über ein Zerwürfnis zwischen den beiden waren nachdrücklich dementiert worden. Als Gray das WeiÃe Haus verlassen hatte, war ihre Freundschaft angeblich so eng wie immer â vielleicht sogar noch enger, weil Grays Rettungsunternehmen so spektakulär erfolgreich gewesen war.
Merritt muÃte seine gesamten schauspielerischen Fähigkeiten aufbieten, um seinen Zorn zu tarnen. Das war wieder eine Meisterleistung! Hatte er nicht gerade daran gedacht, was für ein erfahrener Stratege Gray war? Dieser Besuch war ein sorgfältig geplanter Ãberfall, der ganz harmlos wirkte. Der Prophet war geradewegs zum Berge gekommen: unangemeldet und entwaffnend. Das Personal des WeiÃen Hauses kannte ihn gut und würde nicht miÃtrauisch sein. Er war gekommen, um seinen Kumpel, den Präsidenten, zu besuchen â wie nett von ihm!
Am meisten ärgerte sich Merritt darüber, daà er Grays Spiel mitspielen muÃte â zumindest so lange, bis er wuÃte, worauf der andere hinauswollte. Als sie allein waren, trat er an die Saftbar. »Was darf ich dir anbieten?«
»Was du trinkst.«
Merritt goà zwei Gläser Orangensaft ein. »Verdammt schön, dich mal wiederzusehen«, sagte er, als sie miteinander anstieÃen.
»Laà dich nicht beim Training stören.«
»Ich wollte gerade Schluà machen. Ich haltâ nicht mehr
soviel aus wie früher«, sagte er mit einer Grimasse, die seine Leistung herabsetzte.
»Das bezweifle ich.«
»Stört es dich, wenn ich in den Whirlpool gehe?«
»Durchaus nicht.«
Merritt streifte seine Shorts ab und lieà sich in das wirbelnde, perlende Wasser gleiten, aus dem eine Dampfwolke aufstieg. »Ahhh, wunderbar! Willst du auch reinkommen?«
»Nein, danke.« Gray zog einen Liegestuhl an den Rand des Whirlpools und setzte sich hinein.
»Dein Haar ist grauer geworden.«
»Vererbung«, antwortete Gray. »Habâ ich dir nie erzählt, daà mein Vater vorzeitig grau gewesen ist?«
Im Grunde genommen hatte Gray Bondurant sich nicht verändert. Sein Körper war noch immer hart und straff, sein Gesichtsausdruck noch immer resolut. Der Mann, der aus eigener Kraft aus einer Wohnwagensiedlung ins WeiÃe Haus gelangt war, empfand sehr selten Neid, doch Neid war der Grund für seinen Haà auf Gray.
Er sah besser aus als Gray. Vermutlich war er sogar intelligenter. Und körperlich war er ebenso stark.
Aber in Gray steckte ein stahlharter Kern Rechtschaffenheit und SelbstbewuÃtsein, der ihm gestattete, jedem anderen unverwandt ins Auge zu blicken. Schon in der guten alten Zeit, bei der Marineinfanterie, vor ihrer Entfremdung, hatte Merritt nach längerem Blickkontakt mit Gray immer als erster wegsehen müssen. Es ärgerte ihn, wie gut Gray Ehre und edle Gesinnung anstanden. Er verachtete ihn wegen seiner Prinzipien, während er ihn insgeheim um die zusätzliche Kraft beneidete, die sie ihm verliehen.
»Fett
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