Blindlings
Das Motorengeräusch hinter mir wurde stärker. In Sekundenschnelle feuerte ich drei Geschosse durch die Windschutzscheibe, die anscheinend aus Sicherheitsglas war, denn sie wurde sofort völlig undurchsichtig. Cooke preschte in weitem Bogen davon, und dann sah ich auch, was ihn gerettet hatte. Sein Wagen hatte den Fahrersitz auf der rechten Seite, wie das in England üblich ist.
Ich hatte die Kugeln in die falsche Seite der Windschutzscheibe geballert. Mir blieb keine Zeit, meinen Irrtum zu korrigieren. Sein Wagen ratterte in atemberaubendem Tempo den Fahrweg entlang. Der Land-Rover hatte mich eingeholt, ich sprang auf. »Los«, schrie ich. »Schnell, schnell!«
Vor uns schlingerte Cookes Wagen um eine Ecke und hinterließ eine Staubwolke. Er strebte der Hauptstraße zu, doch wir folgten ihm nicht, denn an der Ecke bog Elin, meiner Anweisung folgend, in die entgegengesetzte Richtung ab.
Es wäre sinnlos gewesen, hinter Cooke herzujagen - ein Land-Rover eignet sich nicht besonders für eine Verfolgungsjagd, und Cooke war sowieso im Vorteil. Wir fuhren in südlicher Richtung auf dem Weg weiter, der parallel zum fökulsä d Fjöllum verläuft, dem großen Fluß, der das Schmelzwasser nördlich des Vatnajökulls aufnimmt. Der unebene Boden zwang uns, das Tempo zu verlangsamen. »Hast du mit Cooke gesprochen?« fragte Elin.
»Ich bin gar nicht an ihn herangekommen.« »Bin ich froh, daß du ihn nicht umgebracht hast.« »Ich habe es versucht«, sagte ich. »Wenn sein Fahrersitz auf der linken Seite gewesen wäre, wäre er jetzt tot.« »Würdest du dich dann wohler fühlen?« Ihre Stimme klang eisig.
Ich sah sie an. »Elin, der Mann ist gefährlich. Entweder hat er nicht mehr alle Tassen im Schrank - was ich für unwahrscheinlich halte - oder »Oder was?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich kleinlaut. »Alles ist so verdammt kompliziert, ich schau da einfach nicht mehr durch.
Aber eines ist mir völlig klar - Cooke will meinen Tod. Es muß etwas geben, das ich weiß - oder zumindest scheint er es zu glauben -, was für ihn gefährlich ist. So gefährlich, daß er mich umbringen will. Unter diesen Umständen möchte ich dich nicht bei mir haben - du könntest in die Schußlinie geraten. Das ist ja heute früh schon passiert.«
Sie verlangsamte das Tempo wegen einer besonders tiefen Furche.
»Allein wirst du damit nicht fertig«, wandte sie ein. »Du brauchst Hilfe.«
Ich brauchte mehr als nur Hilfe. Ich brauchte einen genialen Einfall, um diese harte Nuß zu knacken. Aber dazu war jetzt sowieso keine Zeit, denn Elins Schulter fing an, höllisch zu schmerzen. »Halt an«, sagte ich. »Ich werde jetzt fahren.«
Anderthalb Stunden lang ging es in südlicher Richtung weiter, als Elin plötzlich ausrief: »Dort ist der Dettifoss.« Ich blickte über die felsige Landschaft auf die ferne Sprühwolke, die über der tiefen Schlucht hing, welche der Jökulsä ä Fjöllurn tief in den Felsen eingeschnitten hatte. »Wir fahren zum Selfoss weiter«, verkündete ich. »Zwei Wasserfälle sind besser als einer. Außerdem sind am Dettifoss häufig Camper.«
Nach drei Kilometern hielt ich am Straßenrand. »Näher können wir an den Selfoss nicht heran.« Ich stieg aus. »Ich werde mal zum Fluß rübergehen und nachsehen, ob die Luft rein ist. Es gilt als schlechter Stil, sich beim Leichentransport erwischen zu lassen. Bleib schön hier und laß dich nicht von fremden Männern ansprechen.«
Als ich mich vergewissert hatte, daß die Leiche noch ordentlich unter der Decke verborgen lag, ging ich auf den Fluß zu. Es war noch früh am Morgen und keine Menschenseele war zu sehen. Ich kehrte zurück, öffnete die hintere Tür des Land-Rovers und kletterte hinein. Dann zog ich die Decke von Grahams Leiche weg und durchsuchte den Toten. Seine Brieftasche enthielt isländisches Geld sowie ein Bündel deutscher Banknoten, dazu den Ausweis eines deutschen Automobilclubs, auf den Namen Dieter Buchner ausgestellt, genau wie in seinem deutschen Paß. Da war auch ein Photo, auf dem er den Arm um ein hübsches Mädchen gelegt hatte.
Beide standen vor einem Laden mit Aufschriften in deutscher Sprache. In diesen Kleinigkeiten ist das Department immer sehr gründlich.
Der einzig interessante Fund war ein angebrochenes Paket Gewehrmunition. Ich legte es zur Seite, zog die Leiche heraus und steckte die Brieftasche wieder in die Brusttasche von Grahams Jacke. Dann hievte ich den Toten auf die Schulter und trug ihn zum Fluß. Elin folgte mir auf
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