Blindwütig: Roman
Kinderbuchautorin eigentlich nicht erwartet.«
»Ruf die Polizei!«, drängte Penny.
»Dann wird er sagen, wir hätten alles erfunden, um ihm wegen seiner Rezension eins auszuwischen.«
»Mich hat er aber gar nicht rezensiert. Wieso sollte ich da Lügen über ihn verbreiten?«
»Mir zuliebe. Das wird man jedenfalls behaupten. Du kennst doch die Medien. Wenn man denen irgendwas in die Hand gibt, machen sie dich liebend gern zur Schnecke.«
Dass es etwas in meiner Vergangenheit gab, wovon ich Penny nie erzählt hatte, konnte ich ihr nicht sagen. Aber wenn ich Waxx irgendwelcher Untaten beschuldigte, die er leugnete, dann hätten die Reporter der Kommerzsender sofort angefangen, meinen Lebenslauf zu durchwühlen. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sie herausbekamen, wer ich als Kind gewesen war, aber ich wollte ihren Spürsinn lieber nicht auf die Probe stellen.
»Außerdem habe ich das Gefühl, er will geradezu, dass wir die Polizei rufen«, sagte ich.
»Wieso sollte er das denn wollen?«
»Entweder er will es, oder es ist ihm egal, wenn wir es tun. Das Ganze ist völlig irre. Ich habe ihm doch gar nichts getan. An dieser Sache ist irgendetwas dran, was wir nicht begreifen.«
»Ich begreife überhaupt nichts davon«, stellte Penny fest.
»Eben. Vertrau mir. Lassen wir die Polizei vorläufig aus dem Spiel.«
Daraufhin blieb sie bei Milo und seiner Hündin, während ich das Haus durchsuchte, ohne etwas zu finden. Nichts war beschädigt worden. Alles schien in bester Ordnung zu sein.
Sämtliche Türen waren verschlossen, die Sicherungsketten vorgelegt. Auch die Fenster waren verriegelt. Keine Scheibe war zerbrochen.
Es blieben zwar nur noch sechs Wochen bis Weihnachten,
aber Waxx war sicher trotzdem nicht durch den Kamin gekommen und entschwunden. Dessen Lüftungsklappen waren ebenfalls verschlossen.
Im Badezimmer schlüpfte ich aus meinem Pyjama und zog mich rasch an. Dann nahm ich meine Armbanduhr von der Frisierkommode, wo ich sie vor dem Schlafengehen hingelegt hatte. Es war sechs Minuten vor fünf Uhr morgens.
Was ich im Spiegel sah, gefiel mir gar nicht. Mein Gesicht war bleich und feucht von Schweiß, die Haut war grau und um die Augen herum körnig, die Lippen waren blutleer, der Mund war zu einem schmalen, harten Strich geschlossen.
Besonders erschreckend waren meine Augen. In ihnen sah ich nicht mich, sondern jemanden, der ich einmal gewesen war.
Als ich in Milos Zimmer zurückkam, schlief er noch immer.
Lassie hatte ihre Verlegenheit überwunden. Vom Bett aus blickte sie uns gebieterisch an und stieß ein langes, gequältes Seufzen aus, offenbar als Protest dagegen, dass wir sie vom Schlafen abhielten.
Penny sagte: »Wenn ich jetzt keinen Keks bekomme, raste ich endgültig aus.«
13
Diesmal: Kekse mit Haferflocken, Rosinen und Macadamianüssen.
Penny war zu aufgeregt, um am Tisch zu sitzen. An ihrem Keks knabbernd, schritt sie ruhelos durch die Küche.
»Willst du ein Glas Milch?«, fragte ich.
»Nein. Ich will irgendwas in die Luft jagen.«
»Ich genehmige mir einen Scotch. Was würdest du denn gerne in die Luft jagen?«
»Nicht nur einen Baumstumpf, das kannst du mir glauben.«
»Wir haben sowieso keine Baumstümpfe im Garten. Bloß Bäume.«
»Ein Hotel zum Beispiel. Irgendwas, das mindestens zwanzig Stockwerke hoch ist.«
»Tut so etwas gut - ein Hotel in die Luft zu jagen, meine ich?«
»Danach ist man wahnsinnig entspannt«, sagte Penny.
»Dann tun wir es doch!«
»Wir haben einmal eine Kirche in die Luft gejagt. Das war einfach nur traurig.«
»Wütend und verängstigt bin ich schon. Traurig muss ich da nicht auch noch werden.«
Ich saß an der Frühstückstheke und sah Penny umherwandern, während ich meinen Scotch trank. Der Whisky war sekundär; was mich wirklich beruhigte und stärkte, war der Anblick meiner Frau.
»Irgendwas in die Luft zu sprengen«, sagte sie, »lindert Stress bekanntlich besser als Kekse.«
»Außerdem macht es nicht so dick«, sekundierte ich, »und verursacht keinen Diabetes.«
»Ich glaube, es war vielleicht ein Fehler, Milo bisher nicht einzuweihen.«
»Tja, Häuser in die Luft zu sprengen würde ihm bestimmt viel Spaß machen. Wie jedem Kind. Aber wie würde sich das auf die Entwicklung seiner Persönlichkeit auswirken?«
»Aus mir ist doch auch was geworden, oder etwa nicht?«, fragte Penny.
»Bisher bist du die netteste abartige Person, die ich kenne. Aber wenn das mit den Keksen bei dir nicht mehr funktioniert … wer
Weitere Kostenlose Bücher