Blindwütig: Roman
Freundeskreis Bescheid gewusst, als er seine Rezension schrieb, völlig plausibel vor. Das hieß, der Kritiker hatte vorher Erkundigungen über uns eingezogen und seinen Angriff womöglich schon geplant, bevor ich meinen Roman vollendet hatte.
Meine früheren Bücher hatten ihn offenbar so in Rage gebracht, dass er meinte, ich würde nicht nur einen üblen Verriss verdienen, sondern auch den Tod.
Allerdings hatten wir wesentlich mehr Freunde als nur Marty und Celine. Falls Waxx unsere Ermordung mehrere Monate lang vorbereitet hatte, dann hatte er natürlich genügend Zeit gehabt, eine entsprechende Namensliste zusammenzustellen. Die Zahl der infrage kommenden Personen war jedoch so groß, dass eigentlich mehrere Tage nötig gewesen wären, um festzustellen, bei wem wir nach der Flucht aus unserem zerstörten Haus Unterschlupf gefunden hatten.
Waxx war jedoch bereits knapp acht Stunden später aufgetaucht, bewaffnet und mit einem Angriffsplan. Das ließ vermuten, dass wir unseren Aufenthaltsort durch etwas verraten hatten, was ihn kaum Recherchen kostete.
»Clitherow hat dir doch gesagt, du sollst keine Kreditkarte verwenden«, sagte Penny.
»Habe ich auch nicht getan.«
»Aber selbst wenn du es getan hättest … wie hätte Waxx davon erfahren sollen?«
»Vielleicht ist er ein genialer Hacker, der in die Computer sämtlicher Kreditkartenfirmen eindringen kann, um unsere Aktivitäten zu überwachen und festzustellen, wo wir gerade etwas eingekauft haben.«
»Das heißt, er kann ungestraft Sicherheitssysteme überwinden, er weiß, wie man mit Sprengstoff umgeht, er ist ein guter Schütze und ein Superhacker. Verdammt, was für eine Sorte Literaturkritiker ist dieser Kerl eigentlich?«
»Einer, der immer noch seinen Satzbau verbessern müsste.«
Um einsame Straßen und offenes Gelände zu meiden, fuhren wir durch Einkaufs- und Wohngebiete. Das war nicht schwer, denn Orange County war ein Konglomerat aus Städten und Vororten, aus dem die Orangenhaine und Erdbeerfelder schon lange verschwunden waren.
»Als du vorhin einen Scheck eingelöst hast, in welcher Bank war das?«
»Die war am anderen Ende der Insel.«
»Ob er den Vorgang wohl irgendwie verfolgen konnte?«
»Ist es nicht schwerer, ins System einer Bank einzudringen, als das einer Kreditkartenfirma zu hacken?«
»Beides ist schwer, bei einer Bank schwerer«, bestätigte Milo vom Rücksitz her.
Obwohl seine Meinung verdächtig kompetent klang, machten
wir uns keine Sorgen, er könnte zum Spaß Bankcomputer hacken. Er war nicht nur ein Wunderkind, sondern auch mit einem Sinn für das geboren, was richtig und was falsch war. Dieser Sinn war so stark, dass Milo uns nie belog. Ausweichend antworten konnte er wohl, aber nicht unehrlich sein.
Deshalb träumte er auch davon, FBI-Direktor zu werden und nicht etwa Generalstaatsanwalt. Angesichts der unerfreulichen Charaktere, die das letztgenannte Amt mitunter ausgeübt hatten, war Milo einfach nicht dafür geeignet.
»John Clitherow hat mir übrigens auch gesagt, wir sollten möglichst bald unseren Wagen stehen lassen«, fiel mir ein. »Aber wir mussten so rasch ein Versteck finden, dass ich dachte, es wäre in Ordnung, wenn das Ding in der Garage steht, wo niemand es sehen kann.«
»Ob da wohl irgendwo ein Sender eingebaut ist, mit dem man uns orten kann?«
»John hat gesagt, Waxx verfügt über Mittel, die ihm regelrecht übernatürlich vorkämen. Deshalb sollten wir seine Fähigkeiten auf keinen Fall unterschätzen.«
»Meinst du etwa, wir müssen einen neuen Wagen kaufen?«
»Dann müssten wir den registrieren lassen. Ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis das in der Datenbank der Zulassungsstelle auftaucht, wo ein Superhacker es womöglich finden kann.«
Penny schnitt eine Grimasse. »Was sollen wir dann tun - etwa ein Auto klauen ?«
»Das wäre nicht richtig«, stellte Milo fest.
»Ich hab nur einen Scherz gemacht, Schatz.«
»Hoffentlich«, sagte Milo.
Nachdem wir eine Weile schweigend dahingefahren waren, sagt Penny: »Milo, ich möchte dir etwas klarmachen.«
»Was denn?«
»Dein Vater und ich machen wahrscheinlich gerade den Eindruck, dass wir weder aus noch ein wüssten. Das ist nicht der Fall. Wir denken nach. Wir sind keine Leute, die sich so einen Mist einfach bieten lassen. Meine Eltern haben allerhand große Brocken in die Luft gesprengt, und wenn dein Vater Eltern hätte, dann hätten die das auch getan. Dein Vater ist klug, er ist schnell von Begriff, und er ist tapfer,
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