Blindwütig: Roman
als sie - und was allein ist.«
»Lassie und ich sind kleiner«, sagte Milo, und die Hündin jaulte auf.
»Aber keiner von euch beiden ist allein«, stellte ich fest.
Milo war kein Fan der Wildnis. Er liebte die Zivilisation
und ihre Errungenschaften, trotz deren katastrophaler CO 2 - Bilanz.
Wir streiften uns die Kapuzen über den Kopf und stiegen im Schein von zwei Taschenlampen hinaus in den Regen. Trotz der einsamen Gegend schloss ich den Wagen ab.
Von der Schotterstraße stapften wir durch die Vegetation, bis wir zu einer niedrigen Felsformation kamen, von der man bei Tageslicht einen Abhang hinunterblicken konnte. Durch die Bäume hindurch sah man bis zum Talgrund, allerdings nicht so weit, dass man die Straße erkannt hätte.
Auf dem lehmigen Waldboden lagen zwischen Farnen mehrere Steine, unterschiedlich geformt, aber jeweils mit einem Gewicht von exakt 4,4 Pfund. Jeder stellte einen Schlüssel dar.
Einen dieser Steine trug ich zu der Felsformation und platzierte ihn genau dort, wohin Penny den Strahl ihrer Taschenlampe richtete.
Nun mussten wir noch von der Felsplatte heruntertreten, die sich nicht bewegte, wenn sie mit zu viel oder zu wenig Gewicht beschwert wurde. Nach einem Augenblick hob sich ein etwa eineinhalb Meter langes und breites Felsstück entlang scheinbar natürlicher Risse, ließ den Schlüsselstein abrutschen und stellte sich schließlich senkrecht auf: eine Falltür.
Obwohl die Felsformation völlig natürlich aussah, war sie von Menschenhand geschaffen. Vor achtunddreißig Jahren hatten Grimbald, sein faszinierender Vater, seine einmalige Mutter, sein ungewöhnlicher Bruder Lenny, sein erstaunlicher Bruder Lanny, sein neugieriger Bruder Lonny, seine bemerkenswerte Schwester Lola und sein wunderbar seltsamer Onkel Bashir sich mit Clotilda und sieben Mitgliedern von deren ebenfalls verblüffender Familie zu einem sechzehnköpfigen Team begeisterter Überlebenskünstler zusammengefunden, um eine Kombination aus Eigenheim und Weltuntergangsbunker
zu errichten. Gedacht war das Ganze als Hochzeitsgeschenk für Grimbald und Clotilda.
Vergleichbar war dieses Projekt mit dem Brauch der Amish, für Frischvermählte gemeinsam eine Scheune zu errichten. Allerdings waren die Beteiligten hier nicht besonders religiös, es ging nicht um eine Scheune, man benutzte Elektrowerkzeuge, gelegentlich wurde geflucht, der Großteil des Baus entstand heimlich ohne Baugenehmigung, und - wenn das, was wir über die Amish zu wissen glauben, stimmt - Grimbald und Clotilda begannen ihr Eheleben mit wesentlich mehr Schusswaffen als besagte Scheunenempfänger.
Zwar waren die Angehörigen meiner Schwiegereltern äußerst geheimnistuerisch und nicht entgegenkommender als die großen Steinköpfe der Osterinseln, aber sie hatten durchblicken lassen, dass sie gelegentlich zusammengekommen waren, um füreinander ähnliche Festungen zu bauen, an Orten wie Nordkalifornien, Oregon, Nevada und Montana.
Unter der Felsfalltür tauchte im Licht unserer Taschenlampen eine lange, schmale Betontreppe mit einem stählernen Geländer auf. Penny ging voraus, Milo folgte mit Lassie, und ich bildete die Nachhut.
Auf halbem Weg die Treppe hinab kamen wir zu einer kleinen Nische in der linken Wand. Aus einem Schlitz in dieser Nische ragte ein Eisenstab mit einem gummierten Handgriff, der nach unten wies.
Als Penny den Stab hochschob, gab er ein knarzendes Geräusch von sich. Irgendwo hörte ich einen Mechanismus klicken.
Über uns schloss die Felstür sich mit einem von ihrer Dichtung gedämpften Schlag. Ohne den frischen Luftzug roch es auf der Treppe nun nach Kalk und nassem Hund.
Nach dem Weltuntergang wird das Elektrizitätswerk uns
wahrscheinlich nicht mehr regelmäßig mit Strom versorgen - ebenso wenig, wie man in der Lage sein dürfte, diese leckeren, kleinen Schoko-Donuts zu kaufen, die derzeit in jedem Supermarkt angeboten werden. Deshalb wurden die drei Geheimeingänge des Boom-Bunkers von einem System aus an Kabeln befestigten Gewichten und Gegengewichten geöffnet und geschlossen. Dieses mit Hilfe von Handhebeln und Drehrädern gesteuerte System war mechanisch so kompliziert, dass ich lieber in Armageddon gestorben wäre, als zu lernen, wie man es bediente und instand hielt.
Am Fuß der Treppe befand sich die übliche bombensichere Stahltür. Sie sah kaum anders aus als ihr Gegenstück, das den Bunker in der von Marty und Celine erbauten Villa schützte. Die Tür hatte kein Schlüsselloch, denn die Hebel zur
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