Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
Vom Netzwerk:
informationstechnischen, militärischen und ökonomischen Elementen zusammen. Das nannte sich DIME. Auf der anderen Seite gibt
     es politische, militärische, ökonomische, soziale, infrastrukturelle und informationstechnische Instrumente der Kriegsführung,
     genannt PMESI. Sie führten diese endlosen Debatten darüber, wie sie ihr PMESI gegen unser DIME einsetzen könnten. Ich fand
     das zum Kotzen. Worüber reden die eigentlich? Sie verstricken sich in Formularen, Matrizen und Computerprogrammen, und diese
     Dinger entwickeln ihre Eigendynamik. Die waren so beschäftigt mit ihren technischen Details und Abläufen, dass sie die Lage
     nie ganzheitlich betrachtet haben. Aber wenn man etwas in seine Einzelteile zerlegt, dann verliert es seine Bedeutung.«
    »Das Operational Net Assessment war ein Instrument, das uns in die Lage versetzen sollte, alles zu sehen und alles zu wissen«,
     gab Generalmajor Dean Cash, einer der Führungsoffiziere des blauen Teams, später zu. »Nun ja, offensichtlich hat es versagt.«
    |128| Notstand in der Notaufnahme
    In der West Harrison Street im Westen von Downtown Chicago steht ein eindrucksvolles Gebäude mit einer prunkvollen Fassade,
     das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts errichtet wurde. Dieses Gebäude nimmt einen ganzen Straßenzug ein und beheimatet seit
     fast einhundert Jahren das Cook County Hospital. Hier wurde die erste Blutbank der Welt eingerichtet und die Kobaltstrahlentherapie
     entwickelt, hier nähten einst Chirurgen vier abgetrennte Finger wieder an, und es gab ein Traumazentrum, das so berühmt war
     und so viele Schusswunden und Verletzungen der Gangs in der Nachbarschaft behandelte, dass es der bekannten Fernsehserie
Emergency Room
mit George Clooney als Vorlage diente. In den späten neunziger Jahren begann das Cook County Hospital jedoch mit der Arbeit
     an einem Projekt, für das es möglicherweise noch berühmter wurde als für seine zahlreichen früheren Errungenschaften. Das
     Krankenhaus begann nämlich, seine Diagnose von Patienten zu verändern, die in die Notaufnahme kamen und über Herzbeschwerden
     klagten – und das Wie und Warum dieser Umstellung ist ein weiteres Puzzlesteinchen auf dem Weg zur Erklärung von van Ripers
     unerwartetem Triumph in der Millennium Challenge.
    Das Experiment im Cook County Hospital begann 1996, ein Jahr nachdem ein bemerkenswerter Mann namens Brendan Reilly die medizinische
     Leitung übernommen hatte. Als Reilly die Stelle antrat, stand die Klinik vor dem Zusammenbruch. Als das wichtigste öffentliche
     Krankenhaus der Stadt versorgte es Hunderttausende Menschen ohne Krankenversicherung. Die finanziellen und personellen Ressourcen
     waren erschöpft. Die großen Schlafsäle entsprachen nicht mehr dem Standard der Zeit. Es gab keine Einzelzimmer, Patienten
     wurden durch dünne Holzverschläge voneinander getrennt. Es gab keine Cafeteria, keine privaten Telefonanschlüsse, sondern
     nur einen einzigen Münzfernsprecher am Ende des Ganges. Es geht sogar die unbestätigte Legende, Ärzte |129| hätten einmal einem Obdachlosen beigebracht, bestimmte Routinetests im Labor durchzuführen, weil sie kein Personal mehr zur
     Verfügung hatten.
    »Wenn man früher mitten in der Nacht einen Patienten untersuchen wollte«, erinnert sich ein Arzt, »dann gab es nur einen einzigen
     Lichtschalter. Wenn Sie den angeknipst haben, war das Licht im ganzen Saal an. Erst Mitte der Siebziger bekam jedes Bett seine
     eigene Lampe. Es gab auch keine Klimaanlage, sondern nur diese riesigen Deckenventilatoren – Sie können sich ja vorstellen,
     was die für einen Radau gemacht haben. Außerdem hatten wir dauernd Polizei im Haus, denn in Cook County wurden ja die Strafgefangenen
     behandelt. Deswegen waren einige Patienten mit Handschellen ans Bett gefesselt. Andere Patienten brachten ihre eigenen Fernseher
     und Radios mit und beschallten den ganzen Laden, sie hockten draußen im Flur herum, als wären sie daheim auf der eigenen Terrasse.
     Auf jedem Flur gab es nur ein einziges Klo, sodass ganze Kolonnen von Patienten mit ihren Infusionen den Gang rauf und runter
     marschierten. Nicht zu vergessen die Klingeln, mit denen die Patienten die Krankenschwestern riefen. Es gab natürlich nicht
     genug Krankenschwestern, sodass es ein dauerndes Geklingel gab. Versuchen Sie mal, jemandem in diesem Krach Herz und Lunge
     abzuhören. Es war das reinste Irrenhaus.«
    Brendan Reilly hatte seine Medizinerlaufbahn in der Universitätsklinik von

Weitere Kostenlose Bücher