Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blitz der Hengst des Sonnengottes

Blitz der Hengst des Sonnengottes

Titel: Blitz der Hengst des Sonnengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
Vom Netzwerk:
mochten.«
    Alecs Vater lächelte schwach. »Das ist etwas anderes, Henry. Und das wissen Sie genauso gut wie ich. Nur Pams Liebe gab ihm Sicherheit, sie war etwas Besonderes. Daher ist ihr Verlust auch tiefgehender für ihn, als wir uns vorstellen können. David fürchtet, er könnte in Alec etwas auslösen, was zu einem totalen Zusammenbruch führt.«
    »Was sollen wir dann nach Dr. Warsons Meinung tun?« fragte Henry ungeduldig. »Die Hände in den Schoß legen? Hoffen, daß Alec von selbst zurückkommt?«
    »Auf jeden Fall abwarten«, antwortete Mr. Ramsay ernst. »Wir können natürlich vorsichtig Erkundigungen einziehen. Aber wir dürfen nicht die Polizei oder die Presse alarmieren und damit eine offizielle Verfolgungsjagd auslösen. David fürchtet, daß Alec unter einem tiefen Schock steht, und daß die Folge eine noch schwerere Depression sein könnte. Wenn die Polizei ihn verfolgt und er durchdreht, wären die Folgen tragisch.«
    »Tragisch? Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine«, antwortete Mr. Ramsay fast im Flüsterton, »Alec könnte dazu getrieben werden, das Leben ohne Pam für nicht lebenswert zu halten.«

    SECHSTES KAPITEL

Nach Westen, immer nach Westen

    Vom zweiten Tag der Reise an begann Alec die Stunden nach einem bestimmten Plan einzuteilen. Er schlief erst, nachdem er den Hengst in einer unbewohnten Gegend bewegt hatte. Danach kehrte er zum Wagen zurück, legte die Arme auf das Lenkrad und schlummerte in dieser Stellung ein, bereit, in dem Augenblick weiterzufahren, in dem er die Augen wieder öffnen und die Straße sehen würde. Dabei verlor er rasch an Gewicht, und seine Muskeln, durch jahrelanges Reiten gestählt, wurden schlaff. Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten, die Haut spannte sich über den Backenknochen, und er sah plötzlich doppelt so alt aus, wie er war. »Pam ist fort«, murmelte er ab und zu vor sich hin, und sein hageres Gesicht war leer wie das eines Menschen, der sich aus dem Leben zurückgezogen hat.
    Tief in Melancholie versunken fuhr er weiter. Die Räder seines Wagens spulten die Kilometer ab, und der verlor jedes Zeitgefühl. Wenn er anhielt, um Blitz zu versorgen, gab es Augenblicke, in denen er versuchte, sich mit seiner Trauer abzufinden, aber das war nur dem Rappen zu verdanken. Er mußte gefüttert werden, für ihn trug Alec die Verantwortung. Der Gedanke, selbst etwas zu essen, stieß ihn ab.
    Mechanisch wie ein Roboter sorgte er für das Pferd, genausogut wie bei ihren gemeinsamen Reisen in glücklicheren Zeiten. Im stillstehenden Anhänger durfte sich Blitz eine halbe Stunde ausruhen. Seine gewöhnliche Futtermenge wurde um ein Drittel gekürzt, um einer »Reiselähme« vorzubeugen. Dafür gab Alec dem Pferd soviel Heu, wie es fressen wollte, und tat Tabletten in sein Wasser, damit es keimfrei war und immer gleich schmeckte. Und wenn die Zeit kam, da der Rappe bewegt werden mußte, zog Alec die Führleine genauso sorgfältig wie zu Hause durch alle drei Ringe des Halfters, damit er auf jeden Fall die Kontrolle über den großen Hengsten behielt.
    Je länger sie unterwegs waren, desto deutlicher wurde es, daß Alec sein Pferd auch dann nicht aus seinem Bewußtsein verbannen konnte, wenn Schmerz und Qual ihn zu überwältigen drohten; er fuhr langsam an, setzte an jeder Kreuzung die Geschwindigkeit herab und bremste vorsichtig. Die düsteren Gedanken jedoch vermochte er nicht abzuschütteln.
    Ohne Pam stand nichts mehr zwischen ihm und dem Ende seines Lebens als gähnende Leere. Ihm wurde bewußt, daß der Tod nicht nur ein Schakal war, der bloß auf die Schwachen und Wehrlosen lauerte. Denn niemand war stärker und lebendiger gewesen als Pam, ja, sie war so sehr ein Teil des Lebens gewesen, daß Alec sich gar nicht vorstellen konnte, wie sie es hatte verlieren können. War das Schicksal auf ihren Lebensmut neidisch gewesen? — Wieder kämpfte Alec gegen das Gefühl, im nächsten Augenblick den Verstand zu verlieren. Er mußte versuchen, das Leben so zu sehen, wie Pam es getan hatte. Wer ständig Angst vor dem Tod hatte, lebte auch niemals wirklich. Schwebte er beim Pferderennen nicht täglich in Lebensgefahr? Und hätte er es anders haben wollen? Nein, ebensowenig wie Pam.
    Er rief ihren Namen so laut, daß es den Lärm des Motors übertönte. Trotz seiner seelischen und körperlichen Erschöpfung halfen ihm diese Stimmen der Vernunft dabei, etwas ruhiger zu werden.
    In der zweiten Nacht erreichte Alec das Gebirge von Georgia. Und hier überwältigte ihn

Weitere Kostenlose Bücher