Blitz und der Feuerteufel
sich auf der Bahn ausgestreckt liegen. Verzweifelt versuchte er sein Pferd zur Seite zu reißen, aber es war zu spät. Er hörte das entsetzliche Geräusch, das entsteht, wenn beschlagene Hufe einen menschlichen Körper treffen. Dann schlingerte sein Sulky, weil ein Rad über Tom wegfuhr. Als Alec halb ohnmächtig in seinem Sitz zur Seite taumelte, sah er immer noch Toms schneeweißes, angstverzerrtes Gesicht mit den weitaufgeris-senen Augen, die ihn anzuflehen schienen, er möge verhüten, daß ihn die schweren Hufe des Braunen trafen...
Was nun?
Eine Stunde später fand sich Alec vor dem Stallgebäude wieder, damit beschäftigt, Feuerteufel das Geschirr abzunehmen. Er handelte völlig automatisch, ohne mit den Gedanken dabei zu sein. Immerfort sah er nur Toms scheinbar leblosen Körper vor sich, wie er von der Bahn getragen und flach in ein Auto gelegt wurde. Georg war mit ihm in das nahegelegene Krankenhaus gefahren. Während er Feuerteufel trockenrieb und dann umherführte, überlegte Alec immer wieder, ob Tom wohl schwere Verletzungen erlitten hatte. Es war nun fast Mittag, und die Sonne schien glühend heiß vom. Himmel. Trotzdem fror Alec. Er zitterte und fing an, schneller zu gehen. Schließlich rannte er beinahe, und Feuerteufel lief neben ihm. Plötzlich wurde er sich bewußt, was er tat, und ging wieder langsam. Der Stalltrakt war ungewöhnlich still.
Eine Stunde lang führte er Feuerteufel herum und versuchte, die Gedanken loszuwerden, die sich in seinem Hirn drängten. Vielleicht hatte Tom nur einen Schlüsselbeinbruch erlitten, vielleicht nicht einmal das. Dann würde er bald wieder aus dem Krankenhaus zurückkehren, möglicherweise schon morgen. Doch seine Anstrengungen halfen ihm nichts; es war nur Selbstbetrug. Im Grunde wußte er natürlich nicht, welches Unheil die schweren Hufe des Wallachs angerichtet hatten. Er konnte nur beten, sie möchten Tom nicht am Kopf getroffen haben.
Er brachte Feuerteufel in seine Box und ging dann in die Geschirrkammer, wo er sich auf sein Lager legte. Er sagte sich, daß solche Unglücksfälle in diesem Beruf leider hin und wieder vorkämen. Pferde in Rennen laufen zu lassen, barg nun einmal ein Risiko in sich; jeder Jockey und jeder Trabrennfahrer setzte sich täglich dieser Gefahr aus. Es wäre eher erstaunlich, daß es nicht noch häufiger Unfälle gab. Er wußte das aus eigener Erfahrung wie die meisten, die sich dem Rennsport verschrieben hatten... Und Tom wußte es wohl auch.
Alecs Augen blieben an Toms Lagerstätte haften, die zerwühlt war, genau wie Tom sie heute früh verlassen hatte, als er so begierig gewesen war, auf der Bahn auszuprobieren, wie die Scheuklappe wirkte.
Alec sprang auf und verließ hastig den Raum. Ziellos wanderte er in den Stallgassen umher, ohne etwas zu sehen und zu hören. Wenn er es wenigstens nicht gewesen wäre, der die Idee mit der Klappe gehabt hätte! Wenn er bloß Tom mit Feuerteufel sich selbst überlassen hätte!
Wieder lief er schneller und schneller, bis er fast rannte. Hin und wieder gelang es ihm, Toms Gesicht aus seiner Vorstellung zu verbannen; die meiste Zeit aber sah er es genauso deutlich vor sich wie vorhin auf der Bahn... so blaß, so flehentlich. Und immer wieder sagte er zu sich selbst: Ich habe schuld... ich habe die Kontrolle über mein Pferd verloren, sonst wäre das Unglück nicht passiert. Weil ich reiten kann, dachte ich, ich könnte auch fahren. Ich habe darauf bestanden, Tom mit dem zweiten Pferd auf der Bahn zu begleiten. Ich wollte ihm helfen, statt dessen habe ich einen furchtbaren Fehler begangen. Ich habe die Dinge schlimmer gemacht, als sie je gewesen wären, wenn ich mich nicht eingemischt hätte. Ich trage die Schuld, ich bin verantwortlich.
Nach langer Zeit ging er zurück und blieb bei Feuerteufel. Er striegelte den Hengst und versuchte, nicht mehr an das Unglück zu denken. So erwartete er Georgs Rückkunft.
Endlich sagte eine Stimme von der Tür her: »Ich bin wieder da, Alec.«
Der Striegel entfiel seiner Hand; er hob ihn auf und sah Georg fragend an.
»Tom hat einen Beinbruch«, berichtete der alte Mann, »weiter nichts.« Er sah Alec lange an und setzte dann hinzu: »Es hätte viel schlimmer ausgehen können, nimm es nicht so schwer!«
»Ich weiß«, sagte Alec, »ich hatte Angst, ein Huf hätte ihn am Kopf getroffen.«
»Er hat das Bewußtsein verloren, aber nicht durch die Hufe des Wallachs, die ihn nur leicht getroffen haben. Vielleicht durch das Sulkyrad, ich weiß es
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