Blitz und der Feuerteufel
»Doch, das ist alles in Ordnung.«
»Also, wann läuft er dann?«
Henry blieb stehen, und sein gequälter Blick traf Jimmy. »Heute abend«, sagte er knapp.
»Heute abend? In welchem Rennen?« fragte Jimmy in steigender Erregung.
Alec wartete auf Henrys Antwort, die nach kurzem Zögern kam: »Im ersten.«
Jetzt war Jimmy nicht mehr zu halten. »Dann kann ich Zusehen!« sagte er eifrig. »Meinen Zug kann ich in New York trotzdem noch erreichen!«
»Vermutlich«, antwortete Henry widerwillig, »aber meinst du nicht, daß es klüger wäre, wenn...«
»Du redest ganz wie mein Arzt!« unterbrach ihn Jimmy gereizt. »Würdest du unter diesen Umständen abfahren? Nein, ich bleibe.« Er warf einen Blick auf die Box und sah dann wieder Henry an. »Wenn er bereits im ersten Rennen laufen soll, warum schickst du ihn jetzt nicht zum Auflockern hinaus?« Jimmy sah auf seine Armbanduhr. »Er sollte um diese Zeit längst seine erste Runde gemacht haben!«
»Er wird vorher nicht laufen, weil er das nicht braucht«, sagte Henry mit leiser Stimme. »Hör zu, laß dir erklären, warum ich so vorgehe. Ich weiß, daß es bei euch üblich ist, eure Traber vor dem Rennen aufzuwärmen, genau wie es vor sechzig Jahren geschah, als wir beide Kinder waren. Feuerteufel aber benötigt keinen Auflockerungstrab; er ist ja ein ausschließlich auf Schnelligkeit gezüchtetes Pferd. Die Anstrengung vor dem Rennen würde ihn nur schwächen und seinen Sieg in Frage stellen. Das will ich verhindern!«
Diesmal machte Jimmy keine Anstrengung, sich zu beherrschen wie vorhin, als Henry ihm den Nutzen der Kappe erklärte. Er schrie schrill: »Willst du mir erzählen, wie man mein Pferd behandeln muß?«
Henry wiederholte: »Reg dich nicht auf, Jimmy! Bitte! Überleg dir, was ich dir eben erklärte. Dann...«
Jimmy unterbrach ihn heftig: »Willst du mir sagen, wie mein Traber trainiert werden muß? Das hast du versucht! Du, der nie etwas zu tun haben wollte mit Trabern!« Jimmys Gesicht war weiß vor Zorn.
Henry erwiderte ruhig: »Das liegt viele Jahre zurück, Jimmy. Ich fühle jetzt anders, und ich möchte dir ja nur helfen! Mit Vollblütern weiß ich besser Bescheid als du. Und meine Erfahrung sagt mir, daß es für dies hochgezüchtete, schnelle Pferd nicht das richtige ist, es am Tage eines Rennens durch Trainingsläufe zu strapazieren!«
»Du hast kein Recht, mich darüber zu belehren, wie der Hengst trainiert werden soll, wenn du nicht nach den alterprobten Regeln verfährst!« bellte Jimmy.
Henry erwiderte langsam: »Da du es mir übertragen hast, ihn zu trainieren, muß ich nach meinen Erfahrungen handeln. Sieh dir dein Pferd doch an, Jimmy! Dann wirst du erkennen, daß es ganz anders ist als die Pferde, die du früher hattest. Folglich gelten für ihn >die alterprobten Regeln< nicht mehr!«
»Halt den Mund!« Jimmys Stimme klang so laut, daß die Pferdepfleger in den angrenzenden Boxen in der Arbeit innehielten und zu ihm herüberblickten. »Ich habe alles eingesteckt von dir, aber jetzt ist Schluß! Du sagst mir, ich soll mir mein Pferd ansehen. Du sagst mir, wie es trainiert werden muß. Du, der noch nie im Leben im Sulky hinter einem schnellen Pferd gesessen hat! Mach, daß du hier wegkommst, schnell, ehe ich dich hinauswerfe!« Dann drehte er sich Alec zu: »Und Sie gehen mit ihm! Sie brauche ich auch nicht!«
Das Blut schoß Alec in den Kopf; er wandte sich Henry zu, aber sein alter Freund war schon gegangen. Seine krummen Reiterbeine bewegten sich auf dem Stallgang wie ein sehr langsames Rad; seine Schultern waren niedergebeugt.
Tränen schossen Alec in die Augen, er konnte den vor ihm stehenden Jimmy kaum noch sehen. Er hörte, wie sich ihm Feuerteufel von hinten näherte und ihm zärtlich seinen warmen Atem ins Genick blies. Dann hörte er sich selbst sagen: »Ich möchte hierbleiben. Ich sehe es als meine Pflicht an...«
»Dann müssen Sie alles machen, wie ich es bestimme!« rief Jimmy, fuhr herum und sah Henry nach, der sich bereits weit entfernt hatte.
Es dauerte ziemlich lange, bis sich Jimmy wieder zu Alec umdrehte. Er war nicht mehr wütend, aber furchtbar erschöpft. Trotzdem biß er die Zähne störrisch zusammen. Man sah, daß er niemals einlenken würde.
»Wir wollen ihn jetzt einspannen«, befahl er endlich. »Ich wünsche, daß Sie ihn ein paar Meilen leicht traben lassen. Danach wenden Sie und lassen ihn eine Meile in zwei Minuten und zehn Sekunden traben, nicht langsamer! Haben Sie eine Uhr?«
»Jawohl,
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