Blitz und Pam
ihm zu. Schnell legte Alec die Hände ineinander. Eine einzige fließende Bewegung ihres ganzen Körpers, und Pam saß auf dem Rücken des Hengstes.
»Gut, Alec«, sagte sie, »du kannst ihn loslassen.«
Blitz schleuderte seinen Kopf hoch und versuchte Pam abzuwerfen. Sie hielt sich im Sattel mit festen Händen und festem Körper.
Henry machte sich darauf gefaßt, daß Blitz sich mit jemand Fremdem auf dem Rücken nach hinten werfen würde. Wenn es ihm jetzt gelang, würde er es am Start wieder tun. Doch Blitz machte keinen weiteren Versuch, Pam abzuwerfen. Henry schaute ihr nach, wie sie selbstsicher und ungemein stolz davonritt. Er sah nichts Kindliches in ihrem Gesicht — nur Kraft und Entschlossenheit.
Blitz ging in langer, schneller, sehr sauberer Pace einher. Als er durch die Lücke im Zaun kam, beschleunigte er seinen Schritt. Jenseits der Bahn erhoben sich die Tribünen — eine Masse von Stahl, Beton und Leere. Auch ohne den Betrieb und Lärm der Zuschauermenge und der Musikkapelle kam Blitz in Erregung. Er blähte die Nüstern, wie er es in der richtigen Rennatmosphäre getan hätte »Ruhig«, sagte Pam zu ihm, als er zu rennen begann. Auch an ihrem eigenen Körper war nichts Ruhiges, bis sie die Beherrschung gefunden hatte. Sie durfte nicht nur ein Passagier auf seinem Rücken sein — nicht, wenn sie am Samstag mit ihm am Rennen teilnehmen wollte. Alec und Henry sahen zu. Sie mußte ihren Mann stehen.
Blitz war ohne seinesgleichen, sowohl was Kraft als auch was Geschwindigkeit anbelangte. Er wollte frei jeglicher Einschränkung sein. Sein Hals war angespannt, und seine Ohren waren zurückgelegt.
Blitz forderte mehr Zügel, doch Pams Hände gaben nicht nach. Sie beugte sich über seinen Hals und gebot ihm zu warten. Ihre Augen waren nahezu geschlossen, und ihre Haut spannte sich straff über die hohen, vorspringenden Backenknochen. Pam horchte auf das Geräusch, das von der Reibung seiner Zähne an der Kandare herrührte.
Als sie um den hinteren Bogen gingen, ermahnte sie sich selbst: »Nicht zu sehr anziehen! Zwing ihn nicht-bitte ihn! So, ja, so ist’s besser.« Blitz ging gehalten in die Zielgerade — so, wie Alec und Henry es wünschten. Pams Welt hatte noch nie so wunderbar ausgesehen wie gerade jetzt, da sie den Champion an Hunderten von Sitzreihen der leeren Tribünen vorbeiritt. Es machte ihr nichts aus, daß niemand zuschaute.
Als sie über die Ziellinie ging, lockerte sie die Zügel und trieb Blitz die Knie in die Seiten. Gleichzeitig rief sie: »Los!«
Trotz des mächtigen Schubes des schwarzen Hengstes und trotz des Stoßens, den sein Sprung Pam versetzte, hielt sie stand. Mit nichts, was sie bisher erlebt hatte, ließ sie sich vergleichen, diese Heftigkeit seines ersten Sprunges. Kaum waren seine Hufe auf den festgetretenen Boden der Bahn aufgeschlagen, als er auch schon wieder durch die Luft flog und Pam von seinem Rücken hoch aufwarf. Dank dem Griff ihrer Beine vermochte sie sich oben zu halten; sie gewann ihr Gleichgewicht wieder. Fest saß sie im Sattel und nahm die Zügel wieder kürzer.
Der Speed des schwarzen Hengstes ließ sich von Pams straffem Griff an den Zügeln nicht hemmen — im Gegenteil, die Schritte des Pferdes wurden von einem Rennlauf zu einem schieren Flug. Sein mächtiger Körper streckte sich ganz flach aus in der Luft, dann berührte er den Boden, um ihn mit einem einzigen Schlag seiner Hufe sogleich wieder zu verlassen.
Pams Blut fing Feuer. Sie ließ Blitz wieder etwas mehr Spielraum. Niemals hatte sie etwas erlebt, das diesem furiosen Flug gleichkam. Sie preßte ihr Gesicht fest gegen den Hals des Hengstes. Es war, als fliege ihr leichter Körper-so wie der seine. Sie flog mit ihm, als wäre sie ein Stück von ihm, und sie hatte nur diesen einen Wunsch: ewig so weiterzufliegen — ganz gleich wohin.
Als sie aus dem ersten Bogen kamen, sah Pam Alec und Henry in der Ferne und zog die Zügel an. Blitz hatte es nicht gern, daß man ihn zu rückhielt, doch er gehorchte und verlangsamte sein Tempo. Pam hatte erkannt, daß er trotz all seiner Kraft und Geschwindigkeit kein dämonisches Ungeheuer war, das die Gebißstange packte und wie nicht gescheit um die Bahn raste. War sein Reiter stark genug, ihn zu handhaben, so gehorchte er auch.
Pams Arme begannen unter dem gewaltigen Zug des Pferdes zu schmerzen. Blitz stahl ihr etwas mehr Zügel ab und verlängerte seine Schritte. Der Wind trübte ihre Augen, und der Innenzaun wurde ganz verschwommen. Die schwarze
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